Galerie neugerriemschneider, Berlin
5 – 31 January 2009
Es ist ein ziemlich bemerkenswertes Kalkül, dem Antje Majewskis Ausstellung „Tanz RGBCMYK“ folgt. Denn obwohl wir es vornehmlich mit Gemälden zu tun bekommen, ist es keine Malereiausstellung, um die es hier geht. Obwohl diese Bilder „Tanz“ und „Farbe“, also Themen aus der Domäne des Sinnlichen, des primär subjektiv Erlebbaren, zum Gegenstand haben, wirkt die Ausstellung kaum wie eine konventionelle Bilderschau. Majewskis Projekt hat sich die Malerei mehr als Kostüm angetan. Sie vermittelt sich als inhaltlich-reflexive Installation, die lieber laut über die Möglichkeiten der Malerei nachdenkt, als schlicht in Malerei aufzugehen. Man bemerkt dies allerdings nur, wenn man die Ausstellung als Ganzes sieht, als System, dessen verschiedene Elemente einander bedürfen, bedingen und in direktem Bezug zueinander stehen.
Am Ende ist ein Befund zu sehen und keine in sich abgeschlossene, auf sich selbst vertrauende Gemäldewelt. Die einzelnen Bilder kommen kaum noch für sich „als Bilder“ zur Geltung, sondern nehmen im Rahmen ihrer installativen Präsentation exemplarischen Charakter an, werden zu Modellen für bestimmte Möglichkeiten der Bild-Werdung. Dabei stehen drei pragmatisch-lapidar gemalte Tondi mit Gruppen ineinander verwobener Tanzender drei ebenfalls großformatigen, auf Leinwand gemalten Modelldiagrammen der Farbtheorie gegenüber. Die Inszenierung der Choreographie und die schlaglichtartige Ausleuchtung sind allerdings weniger lapidar und wirken geradezu spektakulär. Die monumentalen „shaped canvases“ von Farbkarten und -kreisen gesellen sich zu einer frei im Raum stehenden Farbkugel sowie einem auf Augenhöhe platzierten Prisma und beziehen sich ganz offensichtlich auf historische Vorbilder. Sie entstammen den verschiedenen Darstellungssystemen, mit denen Johann Wolfgang von Goethe, Philipp Otto Runge, Johannes Itten und Harald Küppers ihre Farblehren zur pädagogisch und wissenschaftlich verständlichen Ansicht brachten. Als inhaltliches (oder doch formales) Scharnier zwischen diesen beiden auf den ersten Blick höchst heterogenen Bildserien fungieren nicht nur die Kleidungsstücke der Tänzer, deren Töne sich sämtlich auf den „Farbkarten“ wiederfinden. Dazu sind, wie Indizes, auf jedem Rundbild Farbmuster als abstrakt-flächige Inserts mit in die Figurenkonstellationen integriert. Muster ist hier aber nicht gleich Muster. Majewski lehnt sich diesmal weit in die technische Bildreproduktion hinüber und zitiert Farbkontrollstreifen, wie man sie aus Druckereien und von der Fototechnik her kennt. Dass es hier also vorrangig um Methoden der Verbildlichung geht, hatte ja bereits der Titel der Ausstellung deutlich gemacht, die mit „RGB“ auf den Farbraum technischer Geräte wie Fernseher oder Computermonitore verweist, und mit „CMYK“ das subtraktive Farbmodell für den modernen Vierfarbendruck beim Namen nennt. „RGBCMYK“ ist die Welt der Farben in einem Akronym. Die Grundlage ist der Inhalt, das ist Majewskis unübersehbare Botschaft.
Was diese Ausstellung nun bemerkenswert macht, besteht also gerade nicht darin, dass hier der Malerei, dem Kolorit, der sinnlichen Sensation in Bildern des Tanzes, in gemalter Farbigkeit ungebrochen gehuldigt würde. Im Gegenteil werden Malerei und „das Bild“ hier wie in einem Prisma in ihre Bestandteile zerlegt, in ihre konstitutiven Farbelemente auf der einen, in das subjektive Rezeptionsvermögen auf der anderen. Tanz und Farbe, spontan-momenthaftes Handeln und das rauschhaft Relative jeglicher subjektiver Wahrnehmung werden in diesen Bildern und im Rahmen dieser Installation zu Platzhaltern für das eigene, aktive sinnliche Erfassen und erinnern uns an unsere Rolle als Betrachter. Majewskis Schau bezieht ihre Qualität auch daraus, dass wir hier mit den traditionellen Beschreibungsmustern wie „realistisch“ oder „abstrakt“, mit historischen und thematischen Zuweisungen oder dem Aufspüren möglicher Referenzen kaum vom Fleck kämen. Will man als Kriterium für „realistische“ Malerei die möglichst naturgetreue Wiedergabe eines existierenden Vorbildes anlegen, dann hätte man es bei den so scheinbar abstrakten, ungegenständlichen Farbkarten im strengen Sinne nämlich mit gegenständlicher Malerei zu tun. Im Gegenzug müsste man dann thematisch gesehen die figurativen Gemälde als expressive Gesten missverstehen.
Nun zielen Majewskis meist in (foto-)realistischer Manier nach Fotografien gemalten Bilder nie nur auf den Augenschmaus, das rein retinale Abenteuer und die illusionistische Sensation, wie wir dies landläufig besonders mit dem gemalten Bild identifizieren wollen. Die Berliner Künstlerin strengt einen Spagat nicht nur zwischen Medien und Inhalten an. Für ihr künstlerisches Projekt, das die verschiedensten Techniken, Medien und Formate zwischen Malerei, Film, Performance und Theorie bzw. Präsentationskontexte zwischen Ausstellung und Aufführung einschließt, zwingt sie (konkrete) Formen so wie (avisierte) Bedeutung in ein wechselseitiges Bezugsverhältnis, unterwirft sie damit einer generellen Prüfung mit Blick auf die Möglichkeiten von künstlerischer Darstellung, den Spielräumen und Beschränkungen von Repräsentation.
Moment aber, was ist damit gewonnen? Einerseits spannt „Tanz RGBCMYK“ einen allegorischen Rahmen um die Pole Unmittelbarkeit und Vermitteltheit. Die Ausstellung rechnet mit der künstlerischen Hybris ab, überhaupt das zur Darstellung bringen zu wollen, was einzig und allein individuell erlebt werden kann. Andererseits wird in der offensiven, formal wie inhaltlich zwischen konzeptioneller Plattitüde und ausgefuchster Manieriertheit hin- und herspringenden Ausstellung aus der Deklination eines Themas eine wenigstens für den Moment ziemlich überzeugende Kunst. Die Architektur der Sätze und Motive, die musikalische Thematik hat einen satten Klang. Manchmal ist das Kluge schön, gerade weil es klug ist.