Von einer exotischen Pflanze namens Buddhas Hand und einem Meteoritenstück aus China über eine obskure Milchorangen-Frucht aus Oklahoma bis zu einem weißen Stein aus dem Haus ihrer Großmutter – der Kosmos von Antje Majewskis sogenannter „Gimel-Welt“, einer imaginierten Welt, in der alles möglich scheint, umfasste in dieser Ausstellung insgesamt sieben Objekte, die von der Künstlerin größtenteils auf Reisen akquiriert worden waren. Sie bildeten den Ausgangspunkt für die Ausstellung „Die Gimel-Welt. Wie man Objekte zum Sprechen bringt“, die Majewski gemeinsam mit dem scheidenden Kurator des Kunsthauses Graz, Adam Budak, zum Anlass des 200-jährigen Jubiläums des Universalmuseums Johanneum – einem großen Museumskomplex, zu dem auch das Kunsthaus Graz gehört – kuratiert hatte.
Das Resultat einer zweijährigen Vorbereitungszeit und intensiver Recherche war eine Ausstellung, die weniger wie eine klassische Gruppenausstellung als vielmehr wie das private Museum der Künstlerin selbst wirkte und in der Überlegungen zur Zirkulation, Klassifikation und Diskursivität von Objekten ebenso angestellt wurden, wie zur Möglichkeit, zwischen künstlerischer Forschung, Mythosbildung und Feldstudie die Organisation von Wissen anders zu denken. Denn, so der Künstler Issa Samb in Majewskis hier gezeigter Videoarbeit La coquille. Conversation entre Issa Samb et Antje Majewski. Dakar 2010 (Die Muschel. Unterhaltung zwischen Issa Samb und Antje Majewski. Dakar 2010, 2010): „Mit jedem Mal, an dem man ein Objekt von einem Ort zum anderen bewegt, beteiligt man sich an der Veränderung der Welt, der Ordnung der Dinge.“
Während die sieben Fundstücke eingangs selbst zu sehen waren, wurde in der weiteren Folge jedem Objekt ein thematischer Raum zugeteilt. Auf sechs großformatigen Gemälden widmete sich Majewski hier den einzelnen Objekten. In den surrealistisch anmutenden Arbeiten erscheinen diese oft um ein Mehrfaches vergrößert und werden zumeist in Interaktion mit menschlichen Figuren dargestellt. Auf einem siebten Bild, The Guardian Of All Things That Are The Case (Der Wächter aller Dinge, die der Fall sind, 2009), sind sechs der Objekte in einer musealen, bewachten Vitrine dargestellt. Das Museum des 19. Jahrhunderts traf hier auf die barocke Kunst- und Wunderkammer, das Bedürfnis nach objektiver Klassifizierung auf persönliche Ordnungssysteme.
Nicht nur die geografische und mediale Verschiebung der gefundenen Objekte kennzeichnete diese Ausstellung, sondern auch der Verweis auf deren Einbeziehung in vergangene Projekte und kollaborative Arbeiten der Künstlerin. Mame N’Dyaré (2011), Majewskis Gemälde einer unbekleideten Frau, die ins Innere einer überdimensionalen Muschel blickt, entstand für die gemeinsam mit Juliane Solmsdorf in der Potsdamer Galerie Töplitz realisierte Ausstellung „Eyland“ (2011). Die damals ebenfalls gezeigte Arbeit Knie (2010) von Solmsdorf – ein Abdruck des Knies der Künstlerin – war hier nun im selben, der Muschel gewidmeten Raum der „Gimel-Welt“ zu sehen. Das Motiv der Muschel fand sich in Mathilde Rosiers Shells and Shoes Collection (Muschel- und Schuhsammlung, 2008) gleich mehrfach als überdimensionales Objekt aus bemaltem Karton hinter einem Paravent wieder, während sich Marcel Duchamps Coin de chasteté (Keil der Keuschheit, 1954/63) auf deren sexuelle Symbolik bezog.
Gimel, der dritte Buchstabe des hebräischen Alphabets, wurde im Kontext der Ausstellung als Symbol des Universellen verstanden. Das Wort leitet sich aber auch vom hebräischen „gamal“ ab, das auch „geben“ bedeuten kann. Es bezeichnete damit einerseits die Zirkulation von Majewskis Objekten, andererseits kehrte es in der Ausstellung auch in Relation zu Gesten der Großzügigkeit und des Schenkens wieder. „Die ganze Welt kann durch eine offene Hand gehen“, erklärt der Filmemacher und gelegentliche Tarotkartenleser Alejandro Jodorowsky in Majewskis Videoarbeit La main qui donne (Die gebende Hand, 2010). Ein weiteres Video der Künstlerin, La pierre, la boule, les yeux. Conversation entre El Hadji Sy et Antje Majewski. Dakar 2010 (Der Stein, die Kugel, die Augen. Gespräch zwischen El Hadji Sy und Antje Majewski. Dakar 2010, 2010), zeigte El Hadji Sy, Mitglied des Künstlerkollektivs Huit Facettes, dabei, wie er Majewski mit einem goldbemalten Metallblock beschenkt, der als Lingot d’or (Goldbarren, undatiert) ebenfalls in der Ausstellung zu sehen war. Diese Videointerviews ermöglichten es der Künstlerin, die Objekte der „Gimel-Welt“ im Dialog und im Rahmen unterschiedlicher Kulturkreise auf ihre jeweilige kontextuelle Verfasstheit hin zu befragen.
In ihrer spezifischen Logik, die mit einem assoziativen Fluss von Wissen zwischen Objekt, Mensch und Welt arbeitete, war diese Ausstellung schlüssig. Neben Majewskis Gemälden waren Arbeiten ausgewählt worden, die sich formal, thematisch oder persönlich-assoziativ zu den gefundenen Objekten in Relation setzten und denen es dabei tatsächlich gelang – im Sinne des Untertitels der Ausstellung, den andernfalls stummen Dingen eine Sprache zu geben –, auch deren Polyphonie zum Ausdruck zu bringen.
Erschienen in Frieze, Ausgabe 3, Winter 2011/12