Was macht ein erfülltes Leben aus? Jagen, Baden, Spielen, Lachen, lautet die Antwort von John Joseph Mathews. Das Osage-Indianer-Halblut zog 1932 nach Oxford-Studium und Einsatz als Kampfpilot im Ersten Weltkrieg in ein abgeschiedenes Steinhaus zurück nach Oklahoma, ging fortan den genannten Tätigkeiten nach und schrieb ein Buch darüber: “Talking to the Moon”, eine Huldigung an die Natur und das einfache Leben. Die Geschichte des Schriftstellers aus dem einzigen Indianer-Stamm der USA, der durch Ölfunde reich wurde, ist einer der Stränge, aus denen Antje Majewski ein Netz aus Assoziationen webt. Es ist eine Objektschau, im Zentrum steht eine kleine, scheinbar zufällig getroffene Auswahl an Gegenständen.
Eigentlich malt Antje Majewski fotorealistisch, doch geht es ihr nie darum, bloße Abbilder zu schaffen. Sie lotet Spielräume aus, schafft Kosmen. Ihre Bilderzyklen und Installationen sind in sich verbunden. Man muss die Einzelteile zueinander in Beziehung setzen, als Variationen eines Themas erfassen. Die Ausstellung mit unaussprechlich langem Titel ist Majewskis privates Universalmuseum. Die Arbeit “The guardian of all things that are the case” gibt das Thema vor. Sie zeigt eine Vitrine mit einer Sammlung eigentümlicher Exponate, bewacht von einer Museumswärterin. Majewski hat die Objekte von Reisen mitgebracht: Muschel und Stein, die handförmige Teekanne, eine Holzdose mit Wurzelmaserung und zwei Früchte, eine “Buddhas Hand” genannte fingerförmige Zitrone sowie eine schrumpelige Osage-Orange.
In Einzelbildern nimmt Majewski jedes Stück davon wieder auf. Sie präsentiert jedoch keine Sammlung von Stillleben, sondern das Leben der Objekte. Majewski sucht ihre magische Kraft, zeigt sie rätselhaft vergrößert und in ferne Zeiten versetzt. Es sind Gegenstände, um die sich Mythen und Geschichten ranken, wie die von den reichen Osage-Indianern, deren Name auch die grüngelbliche ungenießbare Frucht in der Vitrine trägt. Sie wird in keinem Gemälde wiederholt, sondern verweist in den zweiten Galerieraum, das “Kaminzimmer”. Es ist einem historischen Foto des Osage-Indianers John Joseph Mathews nachempfunden, mit künstlichem Kamin und gemalter Steinwand.
Bunt umwickelte Stromkabel versinnbildlichen die Beziehungen zwischen den Objekten. Spinnennetzartig durchkreuzen sie den Raum der Bilder, führen weiter in die Galerie hinein. Sie versorgen den Projektor im “Kaminzimmer” mit Strom und auch mit den Rechnern der Galeriemitarbeiter sind sie verbunden. Alles hängt zusammen, Natur, Kosmos, die Welt der Dinge. Auch das Leben der Künstlerin: Was für John Joseph Mathews sein Steinhaus war, ist für Antje Majewski ihr Haus im Havelland. Von dort stammen die Möbel im “Kaminzimmer”, ein Holzschaukelstuhl, ein Tischchen, eine Stehlampe. Die Balance zwischen Kunst, Leben und den Dingen findet auch sie – künstlerisch wie real – in der Natur.
Erschienen in Berliner Morgenpost, 26.7.2011