„A great part of antiquity contented their hopes of subsistency with a transmigration of their souls, a good way to continue their memories.

Egyptian ingenuity was more unsatisfied, continuing their bodies in sweet consistencies to attend the return of their souls.

But all was vanity, feeding the wind, and folly.

The Egyptian mummies, which Cambyses or time hath spared, awarice now consumeth.

Mummy is become merchandise, Mizraim cures wounds, and Pharao is sold for Balsams.“–(Sir Thomas Browne, 1658)[1]

 

Als Howard Carter am 11.11.1925 mit den Untersuchungen an der Mumie Tutanchamuns begann, befiel ihn eine ganz unwissenschaftliche Gier. Auch die anwesenden Vertreter der Regierung und der Antikenverwaltung hinderten ihn nicht, als er und sein Team mit einem kleinen Kocher die Leiche erhitzten, bis sie die goldene Totenmaske lösen konnten. Bei dieser Prozedur wurden die Öle und Harze, die zum Einbalsamieren verwendet worden waren, weich und der Leichnam brüchig. Carter und seine Gefährten wühlten sich durch die Mumienbandagen auf der Suche nach wertvollen Schmuckstücken und Amuletten, sie fanden 143 Objekte. Die Haut brach auf, Kopf, Arme und Beine Tutanchamuns lösten sich vom Rumpf. Auf ersten Fotos kann man noch einen Perlenkragen sehen, der den Brustkorb bedeckt; heute fehlen das Brustbein und mehrere Rippen, die mit einem scharfen Instrument abgetrennt wurden. Auf diesen Fotos sieht man auch noch einen verschrumpelten Penis, der später vermisst wurde. Es wurde darüber spekuliert, daß sich einer der Mitarbeiter Carters den Penis angeeignet habe: als Kuriosum oder auch als Wundermedizin. Während die Abbilder des toten Pharaos, die Sarkophage und die Totenmaske, um die Welt reisten, wurde sein Körper mit dem Sand, auf dem er gelegen hatte, zurück in den äußersten Sarkophag gebettet, wo er bis heute liegt.

Erst 2005 fand Dr. Zahi Hawass, Generalsekretär des Ägyptischen Höchsten Rats für Antiquitäten, bei einem CT-Scan vor Ort den vemissten Penis sowie einige Fingerglieder. In einem Interview nach der Untersuchung sagte er: “Erection in ancient Egypt was important. Erection to them was resurrection. (…) When I realized that Carter placed the mummy on the sand, there on the same spot I found the penis of Tutankhamun. Delighted about this discovery, I learned that the ancient Egyptians mummified his penis over a piece of wood tucked under his body.”[2]

 

Ein ägyptisches Sprichwort lautet: “Einer lebt, wenn sein Name genannt wird”[3]. Die Ägyptologen und Ausgräber halfen im 19. und zu Beginn des 20.Jahrhunderts, die vergessenen Namen der Pharaonen, aber auch der Schreiber, Tempelpriesterinnen und der ersten namentlich bekannten Künstler wieder auszusprechen. Anders als bei anderen verschwundenen Kulturen war es auch möglich, nicht nur die Abbilder der Toten, sondern ihre wirklichen Körper zu sehen. In vielen Fällen waren sie so gut erhalten, daß man Gesichtsrekonstruktionen wagen konnte und sich für ihre Krankheiten, Essgewohnheiten und schliesslich selbst für ihren Drogenkonsum interessierte. Howard Carters respektloser Umgang mit dem Pharao war zu seiner Zeit schon ungewöhnlich. Mumien landeten nicht mehr in den Kuriositätenkabinetten der Europäer, es war kein schaurig-errendes Schauspiel mehr, ihrer Auswickelung beizuwohnen: königliche Mumien – und ihre Grabbeigaben – gehörten dem ägyptischen Staat. Schon der Pathologe, Anatom, Anthropologe und Ägyptologe Grafton Elliot Smith (1871 – 1937) bemerkt im Vorwort zu seinem 1912 veröffentlichten Catalogue Général des Antiquités Égyptiennes du Musée du Caire: The Royal Mummies: „In the case of many mummies, especially those in the best state of preservation, there was singularily little that an anatomist could do, provided of course that he refrained from damaging the body“[4].

Allerdings hatte auch Smith königliche Mumien aus den großen Funden in Deir el Bahri (1881) und im Tal der Könige (1898) von ihren Bandagen befreit, um sie zu untersuchen und fotografieren zu lassen. In seinem Katalog finden sich neben anatomisch-pathologischen Beschreibungen über hundert wunderbare Schwarz-weiß-Fotografien von Emile Brugsch, dem Ägyptologen, der den Fund von Deir el Bahri gemacht hatte. Diese Fotografien sind es, auf denen unser Bild von den Mumien beruht; denn viele sind bis heute nicht wieder fotografiert worden, und im Museum in Kairo befinden sich die meisten von ihnen im Lager. Die meisten wurden vor neutralen Hintergründen freigestellt und entwickeln eine stille Pathetik, die damit zusammenhängt, daß nicht nur die Toten, sondern auch die Fotos alt sind; nicht nur sie sind tot, sondern auch der Fotograf und der Anatom.[5]

Grafton Elliot Smith war ein Mitbegründer des Diffusionismus, der bis heute als hochspekulativ gilt. Gemeint ist die Diffusion von Kulturen auch über die Grenzen der Ozeane hinweg, besonders Einflüsse auf die Entwicklungen der Hockulturen Mesoamerikas. Diese Ideen werden von den Inventionisten (oder Isolationisten) bekämpft, die annehmen, daß Hochkulturen gänzlich unabhängig voneinander zu sehr ähnlichen, weil menschlichen Ergebnissen gekommen seien, und daß die diffusionistische Theorie in ihrem Kern eurozentrisch sei.[6] Zum schlechten Ruf des Diffusionismus hat G. Elliot Smith beigetragen, weil er annahm, alle Weltkulturen hätten ihren Ausgangspunkt in Ägypten gehabt.[7] Diese „heliozentrische“[8] Theorie brachte ihm den Ruf ein, verrückt zu sein. Er glaubte allerdings nicht, daß die Ägypter selbst nach Amerika gesegelt seien, sondern rekonstruiert den Weg von Mumifierungspraktiken von Ägypten aus über Asien bis nach Peru.[9] In Elephants and Ethnologists (1924)[10] geht er davon aus, daß die Mesoamerikanischen Kulturen von Indien, China und Kambodscha aus befruchtet worden seien.[11]

 

Ein stark diskutiertes Indiz für Verbindungen zwischen Ägypten und Amerika sind die Untersuchungen der deutschen forensischen Chemikerin Swetlana Balabanova und ihres Teams[12], die in Haaren, Knochen und Haut neun ägyptischer Mumien aus verschiedenen Epochen sowohl Nikotin und Haschisch wie auch Spuren von Kokain fanden. Während Tabak auf allen Kontinenten wild wächst, auch wenn man seinen Genuss nur aus Mittel- und Südamerika kannte, ist das Kokain eine härtere Nuss für die Inventionisten[13], die mit allen Mitteln versuchten, die Untersuchungsergebnisse anzufechten, denn sonst hätte man plötzlich statt des Blühens völlig unabhängiger, durch einen unüberwindlichen Ozean getrennter Kulturen nicht nur sporadische Kontakte, sondern einen regen Drogenhandel zwischen Alter und Neuer Welt vermuten müssen – möglicherweise auch über China und dann den Landweg bis nach Ägypten. Einige nahmen an, die Mumien seien in neuerer Zeit kontaminiert worden, beispielsweise durch Zigarettenrauch. Schafer schlug vor, Balabanova et.al. seien vielleicht an in Europa gefälschte Mumien geraten, die in nachkolumbianischer Zeit aus Gewinnsucht präpariert worden waren.[14] Diese Möglichkeit schien unwahrscheinlich, war aber nicht ganz auszuschliessen.[15]

 

Ägyptische Mumien wurden ab dem 12. Jahrhundert als Wunderheilmittel (mumia aegyptica) nach Europa importiert. Das aus dem Persischen ins Arabische eingeflossene Wort mumiya[16] bedeutet eigentlich Wachs; später wurde damit Asphalt (Bitumen, Erdpech) bezeichnet, und schließlich die mumifizierten Toten, da man annahm, daß sie vor allem mit der Hilfe von Asphalt konserviert worden seien, was tatsächlich erst ab ptolemäischer Zeit der Fall war. In den wechselnden Rezepturen spielten Harze und Öle die grösste Rolle. Durch die Einbalsamierung bildete sich in der Leiche eine schwarze, teerartige Substanz, das “Mumienharz”, von dem schon arabische Ärzte glaubten, es sei heilkräftig – teils wegen der heilenden Wirkung des Asphalts, teils auch wegen der magischen, regenerativen Kräfte, die dem Mumienharz innewohnen sollten.[17]

 

Man pulverisierte die Toten im Mörser auch noch für einen anderen Zweck: als bindemittelreiches Farbpigment für Maler, die wie früher die ägyptischen Einbalsamierer ständig auf der Suche nach neuen Rezepten waren.[18] Diese Farbe, die vor allem für lasierende Untermalungen sehr beliebt war, hieß “Mumie”.[19] In der Ölmalerei werden als Bindemittel diesselben Grundstoffe zum Konservieren eines Bildes benutzt, die auch zum Konservieren von Körpern verwendet worden sind, bis auf den Asphalt, der wahrscheinlich deshalb als Geheimtip galt[20].

Auch heute noch gibt es Maler und Restauratoren, die darauf schwören, daß es nie ein schöneres Gelb als Indisch Gelb gegeben habe (das aus dem Urin mit Mangos gefütterter heiliger Kühe stammte)[21]; nie ein schöneres Karminrot als das aus den Purpur-Schnecken gewonnene, auch wenn es leider nicht lichtbeständig ist[22], aber auch “Kremer Pigmente”, der beste Spezialhandel für seltene Farben, führt keine Mumie mehr. 1964 gestand Geoffrey Roberson-Park, der Direktor des ehrwürdigen Farbenherstellers C. Robertson, der Times: “We might have a few odd limbs lying around somewhere, (…) but not enough to make any more paint. We sold our last complete mummy some years ago for, I think, £3. Perhaps we shouldn’t have. We certainly can’t get any more.”[23]

 

Anfang des 19.Jahrhunderts wurde Il libro dell’arte o trattato della pintura des spätmittelalterlichen Malers Cennino d’Andrea Cennini veröffentlicht, und die Suche nach den verlorengegangenen Werkstattgeheimnissen der alten Meister begann. Während das Aufkommen von industriell hergestellten Farben in handlichen kleinen Tuben (statt in Schweinsblasen) es einigen Malern zum ersten Mal erlaubte, in die freie Natur zu ziehen, wollten andere zum mittelalterliche Zunftatelier und seinen Geheimnissen zurück, und noch die englischen Präraffeliten liebten “Mumia”[24].

“Mumie aus Ägypten wurde im Handel in Form eines hellen, schokoladenfarbenen Pulvers oder in ganzen Stücken angeboten. Ganze Köpfe wurden pro Stück, bereits zerfallene Substanz pro Pfund oder Kilo berechnet. Dabei war der Umgang mit der seltenen Ware mitunter recht skurril. ‘Die letzte Mumie, die wir hatten’, wird der Vertreter einer englischen Firma zitiert, ‘war eine egyptische Frau. Sie war noch nicht 2100 Jahre alt und gab ein schönes Braun.’ Die Verarbeitung von Mumie ähnelte derjenigen von Asphalt. Bereits zermörserte Mumie konnte gleich vermalt werden, während Mumienstücke zuerst in Wasser gequollen und anschliessend pulverisiert wurden. Zum Teil wurde die reine Fleischsubstanz bevorzugt, zum Teil war man der Meinung, dass Knochen, Stoffreste und die zur Balsamierung verwendeten Materialien der Farbe mehr Körperhaftigkeit verleihen würden. Die Bindemittel waren öl- und harzhaltig und verliehen der Farbe einen lasurhaft hellen, warmen, braunen Ton, der vorwiegend zum Schattieren benutzt wurde. Durch einen größeren Gehalt an Feststoffen wurde der Mumie im allgemeinen in den Maltraktaten zuverlässige Eigenschaften zugesprochen und ihre Verwendung anstelle von Asphalt empfohlen.”[25]

 

Erst im 17. Jahrhundert wurde die Einfuhr nach Europa verboten[26]. Farbhändler und Maler litten unter den Lieferengpässen, und bald kursierten verschiedene Rezepte für gefälschte Mumie: künstlich mumifizierte Kleintiere, Mixturen aus Harzen, Asphalt, Weihrauch und Aloe, denen mit braunen Pigmenten der richtige Farbton gegeben wurde, sowie folgendes Rezept des Physikprofessors William Holborn von 1691: “Man nehme die Leiche eines jungen Mannes (manche empfehlen einen rothaarigen), der nicht an einer Krankheit gestorben ist, sondern ermordet wurde; man lasse sie 24 Stunden in klarem Wasser im Freien liegen; dann schneide man das Fleisch in kleine Stücke, füge gemahlene Myrrhe und etwas Aloe hinzu und lasse das Ganze weitere 24 Stunden in Weingeist oder Terpentin ziehen…”[27]

 

Die vielen mumifizierten Ägypter, die vermalt wurden, um den viel später Geborenen ein unvergängliches Portrait zu ermöglichen, hatten sich selbst für die Ewigkeit konservieren wollen: “Sei gegrüßt, mein Vater Osiris! Mögest du mich in dein Gefolge nehmen, daß ich nicht verwese. Dieser Körper von mir soll nicht vergehen, denn ich bin vollständig. Meine Glieder bestehen ewig. Ich verwese nicht, ich schwelle nicht auf, ich zerfalle nicht und werde nicht zu Würmern. Ich bestehe fort, ich bleibe fest, mein Körper vergeht nicht in diesem Lande, ewiglich!”[28]

 

Ein Leichnam, der zwar wie der vorher lebendige Mensch aussieht, sich aber nicht mehr aus eigener Kraft bewegen kann, wird nach einer Überlegung von Jan Assmann zum “ursprünglichsten Bild des Toten”[29]. Da der Leichnam aber nach wenigen Tagen anfängt, diesen Aspekt des Unbeweglich – Unvergänglichen, des Bildhaften durch Verwesung zu verlieren, musste sein Aussehen gebannt werden. Aus diesem Problem entwickelten sich in Ägypten sowohl die Kunst der Mumifizierung wie die der Bildhauerkunst und Malerei. In Ägypten begann man ca. 2600 v.Chr. damit, die Toten zu mumifizieren, wobei es zunächst darum ging, ein möglichst lebensnahes Bild zu erzeugen. Bald legte man die Mumien in anthropoide Särge, die die Stelle des toten Körpers einnehmen konnten, falls diesem etwas zustieß. Ab der 4. Dynastie gibt es Porträt-“Ersatzköpfe” aus Gips, die wohl auf Gipsmasken des Lebenden basieren. Porträtstatuen wurden in eigenen Kammern aufgestellt, von denen aus sie den Kult verfolgen konnten. “Wörter für ‘Leichnam’ (Leiche, Mumie, Leib) und ‘Bild’ (Statue, Bild, Form) werden im Ägyptischen mit demselben Schriftzeichen determiniert. Aufrecht stehend bedeutet es ‘Bild’, liegend bedeutet es ‘Leichnam’. (…) Richte eine Leiche auf, und sie wird zum Bild, lege eine Statue flach, und sie wird zum Leichnam”[30]

In der 11. Dynastie tauchen bemalte, polychrome Gesichtsmasken aus Kartonnage auf, die ein idealisiertes Bild des Toten wiedergeben. Diese Entwicklung führt bis zu den berühmten Mumienporträts des römischen Ägyptens, die zum größten Teil zeitgleich mit den großen Mumienfunden entdeckt wurden.[31] Die Totenbilder von Fayum, die einzigen erhaltenen antiken Tafelbilder, sind ein klassisches Beispiel für Kulturdiffusion: griechische Malereitechnik war wahrscheinlich schon mit den Soldaten Alexanders des Großen nach Fayum gelangt, als Bürger des römischen Reichs trug man römische Haarmoden und Kleider und glaubte weiterhin an Osiris und Anubis. Die Ägypter, deren ganzes Leben auf ein Nachleben sowohl in der Unterwelt wie auch im Andenken der Nachgeborenen ausgerichtet war, inkorporierten die viel individualisiertere Ahnenverehrung der Römer mühelos.

Die griechisch-römisch-ägyptische Art zu malen, technisch wie künstlerisch, ist auch in unsere Kultur diffundiert. Man hat sie ungefähr zu derselben Zeit zugunsten der Fotografie aufgegeben, in der die echte Mumie aus den Bildern verschwand. Nun ist es die Fotografie, die unsere Toten und Lebenden bannt.

 

Die Fotografien in G.Elliot Smiths The Royal Mummies zeigen die pharaonischen Mumien wenige Jahre nach ihrer Entdeckung. Seitdem sind sie trotz der neuen Särge im ägyptischen Museum in Kairo einem langsamen Zerfall ausgesetzt, der sie wie alle anderen Toten auch als Staub enden lassen wird. Die Fotografie von Tut’anchamun, die einen Toten zeigt, der Tausende von Jahren überdauert hat, nur um wenig später von Carter seiner Arme, Beine und seines Penisses beraubt zu werden, flößt mir einen stillen Schrecken ein. Erschrecke ich, weil Tut’anchamun “sterben wird”? Oder weil es für die Fotografie keinen Unterschied macht, was noch lebt oder schon gestorben ist? Roland Barthes schreibt in Die helle Kammer (1980): „Ich glaube nun zu verstehen, daß es eine gewisse Verbindung (Verknüpfung) zwischen der PHOTOGRAPHIE, der VERRÜCKTHEIT und noch etwas anderem gab, das ich nicht recht benennen konnte. Zunächst nannte ich es Leid aus Liebe. (…) Es war eine Woge, mächtiger als ein Gefühl von Verliebtheit. In der durch die PHOTOGRAPHIE (durch bestimmte Photos) entfachten Liebe war ein anderer Klang zu vernehmen mit dem seltsam altmodischen Namen MITLEID. (…) Durch jedes dieser Bilder gelangte ich unweigerlich über die Unwirklichkeit des Dargestellten hinaus, wie von Sinnen betrat ich den Schauplatz, drang ich ins Bild, umarmte ich das, was tot ist, das, was sterben wird.”[32]

 

Aus diesem Mitleid heraus habe ich begonnen, einige der Fotografien dieser Mumien mit Ölfarben auf Aluminium zu malen: die Fotografien zu mumifizieren, denn auch sie sind wie G. Elliot Smiths gedruckter Katalog nicht sehr langlebig. Ich benutze Asphaltimitat und Aluminium als Malgrund, der hoffentlich stabiler ist als Leinwand. Vielleicht gräbt ja jemand die Bilder irgendwann nach Tausenden von Jahren wieder aus. Fotos von unserer Zeit wird es dann keine mehr geben.

 

 

 

[1] Zitiert nach: Grafton Elliot Smith and Warren R. Dawson,  Egyptian Mummies, London 1924, S. 5
[2] Egypt’s ancient treasures expanding, luring more tourists and intrigues. News / Kemet / Egypt. Posted by infiniti on Jan 13, 2006
[3] „Der Grundsatz, daß ‚ein Mann lebt, wenn sein Name genannt wird’, definiert Lebendigkeit als soziale Kategorie. Lebendigkeit ist keine Sache innerer, autonomer Lebenskraft, sondern konstellativer Einbindung und Anerkennung. Lebendigkeit, mit anderen Worten, hängt davon ab, in welchem Umfang man von den anderen als lebendig anerkannt wird, ist also ein Status.“ Jan Assmann, Tod und Jenseits im Alten Ägypten, München 2001, S. 73
[4] G. Elliot Smith, Catalogue Général des Antiquités Égyptiennes du Musée du Caire: The Royal Mummies. Kairo, 1912. Der Katalog ist bis heute ein Standardwerk geblieben, leider nur im Nachdruck überhaupt erhältlich: G. Elliot Smith, Catalogue Général des Antiquités Égyptiennes du Musée du Caire: The Royal Mummies, London 2000, S. VI. Der Katalog ist auch online einsehbar: http://efts.lib.uchicago.edu/cgi-bin/eos/eos_title.pl?callnum=DT57.C2_vol59
[5] Siehe beispielsweise die Abbildungen in: Robert B. Partridge, Faces of Pharaos. Royal Mummies and Coffins from Ancient Thebes, London 1994
In The Egyptian Mummies von G.Elliot Smith und Warren R. Dawson (London / New York 1924) wurden wahrscheinlich aus Kostengründen die meisten dieser Fotografien durch Holzschnitte von A. Horace Gerrard and K. Leigh-Pemberton ersetzt.
[6] Das Hauptproblem ist das Mißverhältnis zwischen den spärlichen Spuren und den gigantischen Folgerungen daraus. Ein römisches Köpfchen in Mexiko – eine phönizische Münze – ein paar Kulturpflanzen, die es sowohl in China wie auch in Mittelamerika gibt – Färbetechniken, ähnlich klingende Wörter – noch vager: Pyramiden, Kalender, Mythen: läßt sich daraus was machen? Und was? Die Atlantissucher, Erich von Däniken und die Mormonen haben jeder auf ihre Art Antworten, aber kein akademischer Anthropologe hat grosse Lust, seine Karriere für gewagte Hypothesen aufs Spiel zu setzen.
Zur Diskussion siehe: John Sorenson und Martin H. Raich, Pre-Columbian Contact with the Americas: An Annotated Bibliography, Utah 1996; eine sehr ausführliche, zweibändige Bibliographie. Die Verfasser sind Mormonen. Mormonen suchen nach den verlorenen Stämmen Israels, einige nehmen auch an, daß Jesus Amerika besucht habe.
Siehe auch: Eugene Fingerhut, Explorers of Pre-Columbian America? The Diffusionist – Inventionist Controversy, Claremont 1994
Alice B. Kehoe, The fringe of American Archeology: Transoceanic Travel and Transcontinental Contacts in Prehistoric America. Journal of Scientic Exploration, Vol. 17, No. 1, 2003, S. 19ff.
[7] Siehe G. Elliot Smith, The Migration of Early Cultures, 1915; The Ancient Egyptians and the Origins of Civilization, London/New York 1911; The Evolution of the Dragon, Manchester 1919; The Diffusion of Culture, London 1933
[8] „Heliozentrisch“, weil sie davon ausgeht, daß die Ägypter eine Reihe von Zivilisationen befruchtet haben, die alle die Sonne als Hauptgottheit verehren. Auch der bekannte Diffusionist und Experimentalarchäologe Thor Heyerdahl taufte sein Papyrosboot, mit dem er 1970 von Marocco bis zur Insel Barbados segelte, auf den Namen des ägyptischen Sonnengottes Ra. (Es war die Ra II, die die Reise in 57 Tagen schaffte). Heyerdahls Fahrten auf der Kontiki (1947), der Ra II und schließlich der Tigris (1977) zeigten, daß transtatlantische Kontakte und ausgedehnte Seereisen lange vor Kolumbus sehr wohl möglich waren.
[9] Siehe: G. Elliot Smith, The Migrations of Early Culture: A Study of the Significance of the Geographical Distribution of the Practice of Mummification as Evidence of the Migrations of Peoples and the Spread of Certain Customs and Beliefs, in: Memoirs & Proceedings of the Manchester Literary & Philosophical Society, Manchester 1914–1915, S. 1ff
[10] Grafton Elliot Smith, Elephants and Ethnologists, London 1924
[11] „I was raised on the ‚G. Elliot Smith is a nut’ myth at Berkeley, when training in anthropology. Naturally, I avoided reading Smith – I had no time to waste on idiocy. But years later, while pursuing the question of elephants in America, I felt compelled to look at Smith’s Elephants and Ethnologists. I was astonished to discover that it is witty, well informed, and makes Smith’s opponents look foolish. Further works by this man revealed that he did indeed start out with an ‚Egypt-as-centre’ complex. But, as the years went by, he broadened enormously.“ George Carter, On Pre-Columbian Discoveries of America, Anthropological Journal of Canada, Vol. 19, No. 2, 1981, S. 10ff.
[12] Swetlana Balabanova, F. Parsche, und W. Pirsig, First identification of drugs in Egyptian mummies. Naturwissenschaften 79:358, 1992
Siehe auch: Samuel A. Wells, American Drugs in Egyptian Mummies: A review of the Evidence, Colorado 2000
[13] Schon 1976 hatte ein französisches Team um Dr. Michèle Lescot Tabak in den Bandagen von Ramses II. nachgewiesen. Ramses II. war im Museum in Kairo stark verfallen und musste in Paris restauriert werden. Siehe: Michelle Lescot et al., La Momie de Ramsès II., Paris 1985, S. 158ff.
Inzwischen hat S. Balabanova weitere Tests nicht nur an ägyptischen Mumien, sondern auch an antiken Gewebeproben aus Deutschland, China und Österreich durchgeführt, von denen sehr viele Nikotin enthielten, so daß man nun nach einer füheren Variante des Tabaks sucht. Nikotin gehört zur Familie der Nachtschattengewächse und kommt wild auch in Afrika vor; ausserdem enthalten auch andere Nachtschattengewächse Nikotin. Kokain dagegen wächst ausschließlich in Amerika.
[14] T. Schafer, Responding to ‘First identification of drugs in Egyptian mummies, Naturwissenschaften 80, S. 243f., 1993
[15] Rosalie David, damals Keeper of Egyptology am Manchester Museum, wollte die Mumien, die sich in München im Ägyptologischen Museum befinden, unabhängig von Balabanova untersuchen. Bis auf die Mumie von Henot Tawi waren die Mumien von unbekannter Herkunft, von einigen gab es nur die Köpfe. Aber die Untersuchung wurde ihr aus “religiösem” Respekt vor den Mumien verweigert. Aus den Angaben in den Museumskatalogen schloss sie aber, daß die Mumien (nicht die einzelnen Köpfe) wahrscheinlich echt waren. Bei Tests an den Mumien in ihrem eigenen Museum wurden ebenfalls bei drei Proben Nikotin nachgewiesen.
[16] Auch mum, mom. Siehe: Andrea Schulz, Arabismen im französischen Wortschatz – eine etymologische Betrachtung, Aachen 2004
[17] Der griechische Arzt Dioscorides und ein persischer Schreiber des 10. Jh erwähnen Asphalt als Panacea; bei Abd’al Latif, einem arabischen Arzt des 12. Jh, kommt “Mumie” sowohl als Alsphalt wie auch als Mumie im modernen Sinn des Wortes vor. G. Elliot Smith und Warren R. Dawson,  Egyptian Mummies, S. 19ff.
[18] Die ägyptischen Einbalsmierer bezogen ihre Mittel aus Nubien bis Syrien. Auch sie müssen an die Wirkkraft des Exotischen geglaubt haben, denn man hat nicht nur Tabak gefunden, sondern auch Seide (China) und sogar Eukalyptusharz. Letzteres will niemand versuchen zu erklären, denn Eukalyptus wächst nur in Australien.
[19] Mumie oder Mumienbraun, Mumian, Momie, Mumia vera oder Mumia ägyptica echt. Das englische und romanische Sprachgebiet weisen ganz ähnliche Begriffe auf (mummy, mommy, mummia, momia, carne momia etc). Siehe: www.kremer-pigmente.de
[20] Heute vor allem Dammarharz und Leinöl; aber im 19. Jh wurde sehr bindemittelhaltig gemalt, und man benutzte auch Mastix, Venezianer Terpentin etc.
[21] Seit 1921 nicht mehr im Handel. „Man glaubt bis heute, daß das lichtechte, hochlasierende und ölbeständige Pigment nicht voll zu ersetzen ist.“ Siehe: Kurt Wehlte, Werkstoffe und Techniken der Malerei, Ravensburg 1992, S. 203.
[22] „Weibliche Cochenille-Läuse (Cocus cacti), auf der kakteenähnlichen Fackeldistel Mittelamerikas und der Kanarischen Inseln gezüchtet, dienen getrocknet als Ausgangssubstanz. Den hochwertigsten Farbstoff für künstlerische Zwecke liefert die ‚schwarze’ Cochenille (im Gegensatz zur roten Sorte). Dieser unlogisch klingende Name rührt daher, daß die durch die Hitze gedörrten, wanzenartigen Körper der Läuse einen schwärzlichgrauen Belag aufweisen. Leider von geringer Lichtbeständigkeit, ausserdem nicht alkaliecht.“ Kommt heute nur noch als lichtunbeständige Aquarellfarbe vor. Siehe Kurt Wehlte, Werkstoffe und Techniken der Malerei, S. 168. Gefärbte Textilen, für die aus Cochenille gewonnenes Pupur verwendet wurde sowie Königspurpur aus Meeresschnecken, Indigo und Krapplack aus Pflanzen, besonders aber „tyrischer“ Purpur, dessen Gewinnung aus der sahneweissen Sekretion von Meeresschnecken durch einen komplizierten Prozess erfolgt, gelten heute als wichtige Indikatoren für einen präkolumbianischen Kontakt zwischen Mesoamerika und China.
[23] Time Magazine, 2. Okt, 1964
Kurt Wehlte gibt an, noch bis ca 1925 auf Mustertafeln für Künstlerfarben die Farbprobe „Mumie, echt“ gefunden zu haben. Siehe: Kurt Wehlte, Werkstoffe und Techniken der Malerei, S. 205
[24] Professionelle Farbenhersteller und Farbenhändler, die den Meistern das lästige Farbanreiben abnahmen, gab es seit der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts. 1841 wurden durch John Goffe Rand in Amerika die ersten zusammendrückbaren Zinntuben erfunden – wenig später gab es dann Plein-air Malerei und Impressionismus. Zeitgleich war die offizielle Salonmalerei beim „Galerieton“ angelangt, einer braunen Untermalung aus Asphalt, die fürchterlich durch die eigentliche Malschicht durchblutete und, weil sie auf Temperaturschwankungen stark reagiert, schlimme Risse verursachte. Diese Untermalung aus Asphalt sollte “Mumie” ersetzen, das damals schon schwierig zu bekommen war. Siehe: Victoria Finlay, Das Geheimnis der Farben. Eine Kulturgeschichte, Berlin 2005
„Die ‚echten’ Asphalte oder Erdpeche, Trinidad-Asphalt z.B., sind in der Malerei wegen ihrer Verunreinigungen seltener verwendet worden als sog. Asphaltite oder Glanzpeche, die z.B. im Jordantal durch Abschlagen aus Gängen oder durch Abschöpfen aus dem Toten Meer gewonnen werden. Aus Erdspalten und heissen Quellen gelangt flüssiger Asphalt ins Tote Meer, erstarrt dort und kann abgeschöpft werden.“ Max Doerner, Malmaterial und seine Verwendung im Bilde, Stuttgart 1989, S.53
[25] Catarina Bothe, Der größte Kehricht aller Farben?, Zabern 1999
[26] Aber noch 1809 bekam der britische Farbenhändler George Field eine Lieferung Mumienbraun. Der “Klumpen enthält lauter Rippenknochen etc. – stinkt nach Knoblauch und Ammoniak – läßt sich leicht zermahlen – Konsistenz pastenartig – unempfindlich gegen feuchte Luft”, notierte er. Zitiert nach: Victoria Finlay, Das Geheimnis der Farben. Eine Kulturgeschichte, S. 126
[27] William Salmon, The New London Dispensatory, 1691, zitiert nach: Victoria Finlay, Das Geheimnis der Farben. Eine Kulturgeschichte, S. 126f.
[28]Erik Hornung: Das Totenbuch der Ägypter. Zürich / München 1979, S. 154
[29] Jan Assmann, Tod und Jenseits im Alten Ägypten, München 2001, S. 143
[30] Jan Assmann, Tod und Jenseits im Alten Ägypten, S. 145
„The significant place in the Egyptian system occupied by the portrait statue is revealed by the names used for the sculptor – „he who causes to live“ – and for the act of making such a statue, which is the same as the Egyptian word meaning „to give birth“, the idea being that modeling of a life-like portrait was in fact the creation of a living image, a perpetuation of the life of the deceased, in other words a rebirth or renewal of life.“ G. Elliot Smith and W. R. Dawson,  Egyptian Mummies, S. 27
[31] Die Portraits wurden oft von den Mumien abgelöst und nach Europa gebracht, während die Mumien weggeworfen wurden. – Die Bilder wurden in Tempera oder Enkaustik auf Kreidegründen gemalt, die auf Holz oder Leinwand angelegt wurden. Die Technik der Enkaustik (bei der die Pigmente mit Wachs gebunden werden) ist in Vergessenheit geraten, aber Erdpigmente, Kreide, Tierleim, Ei und Harze werden bis heute benutzt. Es gab auch schon hinter Glas gerahmte Bilder, die in Wohnungen hingen. Siehe: Susan Walker and Morris Bierbrier, Ancient Faces. Mummy Portraits from Roman Egypt, London 1997
[32] Roland Barthes, Die helle Kammer, Bemerkungen zur Photographie, Frankfurt am Main 1989, S. 127f. Für Roland Barthes ist die Fotografie selbst eine Einbalsamierung des Augenblicks: „doch wenn ich mich auf dem aus dieser Operation hervorgegangenen Gebilde {den Fotografien} erblicke, so sehe ich, daß ich GANZ UND GAR BILD geworden bin, das heißt der TOD in Person.“ Ebd., S.22f. „(…) auch wenn man sich bemüht, in ihr etwas Lebendiges zu sehen, (und die Verbissenheit, mit der man ‚Lebensnähe’ herzustellen sucht, kann nur die mythischeVerleugnung eines Unbehagens gegenüber dem Tod sein), so ist doch die Photographie eine Art urtümlichen Theaters, eine Art von ‚Lebendem Bild’: die bildliche Darstellung des reglosen, geschminkten Gesichtes, in der wir die Toten sehen.“ Ebd., S.41