A – Wir sind durch einige Carboot-Sales gegangen, überall schlechte Gerüche, von den Ständen, von der Straße und von den Caravans, aus denen Essen verkauft wird. Ein Pfad führt hinter die Wagen. Hier sieht es aus, als würden die Sachen direkt aus einem Müll- und Schrotthaufen herausgekratzt und für 50 Pence wiederverkauft. Ich kann mir nicht vorstellen, wer das wofür brauchen kann, obwohl überall, auch vor den spärlichsten Haufen von Lumpen und verrosteten Einzelteilen, die Leute stehen bleiben, darin herumsuchen und nach den Preisen fragen. Ein junges pakistanisches Ehepaar steht mitten auf dem Weg. Sie stützen einen alten Gasherd ab, der auf einem Wägelchen kippelt, bis ihn ein kräftiger Mann wegrollt. Wenig später kommen zwei Männer, die eine große, fleckige Matratze tragen und sie direkt vor uns abstellen. Sie fragen sich, in welche Richtung der Mann mit dem Herd verschwunden ist, packen dann wieder die Matratze und gehen davon. Das Ehepaar ist dabei, sich neu einzurichten, natürlich. Ihre Freunde oder Verwandten helfen ihnen. Sie werden die Matratze mit Bettzeug kaschieren, aber egal was sie drüberdecken, sie werden sie jede Nacht riechen.

 

B – Es ist heiß. Ich bewege mich in staubigen wie feuchten Hinterhöfen, in denen das Licht nie auf den Boden fällt. Mein Wohnraum ist unsicher und wechselt. Einmal werden über Nacht die Treppen entfernt, während ich noch am Tag zuvor über den Dachboden auf einen Empfang in einem neu ausgebauten Geschoß gelangt bin. Ich ziehe um in eine Wohnung mit Balkon und grün leuchtenden Ranken, die ich mir mit einem Freund teile. Wenig später besteht kein Zweifel, daß er dort allein wohnt.

 

A – Ich bin in einem russischen Kaufhaus. Die Waren sind nur auf Schildern abgebildet. Was man sehen will, muß man vorher kaufen und mit dem Bon zu den Verkäufern gehen, die es dann aus den Regalen holen. Ein Straßenjunge hängt sich an mich, um mir zu helfen, zu einer Bedienung zu finden, die deutsch kann.

Die Verkäuferin ist dick, mit blondierten Haaren. Später auf der Straße merke ich, daß mein Portemonnaie fehlt. Als ich zurückkomme, schließt das Kaufhaus bereits.

Auf der Straße treffe ich meine Schwester. Wir gehen einen Hügel in der Stadt hinauf, an Geschäften vorbei, darunter eine Konditorei. Weiter oben, auf Koppeln rechts und links, stehen mehrere tausend weiße Ponys. Den Hügel hinab sehen wir einen Zirkus bei den Proben.

Wir gehen zurück in die Konditorei. Meine Schwester hat für jeden drei Schüsselchen bestellt, Biskuit mit Farbstoffgelee und Kuchen mit Eis. Es sind kleine Portionen, wie Delikatessen, aber lustlos in die Schüsselchen getan und sehr sättigend. Ich esse von dem Kuchen mit Eis, werde aber bald wieder unruhig wegen des Portemonnaies.

 

B – Auf dem Nachhauseweg komme ich durch einen großen Hof, in der Mitte eine Grünfläche. Als ich mir die umstehenden Häuser anschaue, stört mich etwas, der Blick fährt zurück und erfaßt eine dunkle Masse, die von einem Balkon herunterhängt. Ein paar Balkone weiter wieder. Unregelmäßig verteilt über Stockwerke und Häuser, hier und da, überall hat jemand die Bewohner überwältigt und von ihren Balkonen erhängt. Bei denen, die mir näher sind, kann ich die Gesichter erkennen. Da ist jemand, hinter einer Balkontür, schon wieder hinter die Gardine getaucht. Ein Schatten mit einem Gewehr in der Hand. Ich fange an zu laufen, so schnell, wie ich noch nie gelaufen bin, leichtfüßig durch eine Schneise in der Stadt.

 

A – Unverdauliches Gras steht auf den abgefressenen Wiesen hoch. Der Boden ist grob knetbar.

Scheddrige Häuser, drum herum Küchenwasser, Morast. Die Feuchtigkeit erzeugt einen fahlen, tückischen Schlamm.

 

B – Sie ist Playmate gewesen, jetzt kinderlos und reich verheiratet. Ihrem Mann hat sie versprochen, viele Kinder zu bekommen und trotzdem ihre Figur zu behalten. Sie hat von Kindern in Ulan Bator gelesen, die in der Kanalisation leben, schon das Ticket nach Ulan Bator gebucht, doch eine Freundin hat ihr gesagt, daß das Elend auch näher sei. Nun päppelt sie in einer Krankenstation in Haiti Straßenkinder auf. Die Kleider, die sie von ihr bekommen, müssen sie abends wieder abgeben, damit die Eltern sie nicht verkaufen. Die, denen es am schlechtesten geht, werden am besten versorgt – die ohnehin bald sterben. Sie wird deshalb von den Pflegern bespöttelt und kritisiert. Immer wieder haben sie die verstorbenen Kinder schon in ein anonymes Leichenlager gebracht, aus dem sie sie wieder hervorsucht und für 75 Dollar von den dort Arbeitenden kauft. Jedes Kind, das von ihr gepflegt worden ist, bekommt ein eigenes Begräbnis und einen Zettel mit in den Sarg: “Dieses Kind ist geliebt worden.”

 

A – Vor ein paar Tagen habe ich geträumt, ich ginge durch eine dunkle Landschaft, wo bis weit zum Horizont provisorisch das Leben wieder aufgenommen wurde. Kleine Feuer brannten, verstreut über die Hänge, neben den bodennahen Verschlägen. Ich ging in ein vereistes Höhlensystem hinein, in dem sich Überlebende befanden, die nicht mehr zurück wollten, Bündel und Stoffetzen um die Körper gebunden. Niemand kümmerte sich um jemand anders, niemand war dazu in der Lage. Vor mir ging eine undeutliche Gestalt, brach zusammen und starb.

 

B – Um 1900, in einer Wildweststadt, sind zwei Jungen einer Organisation auf der Spur, die bereits in der Kenntnis über das Heutige hinausgehender Techniken ist. Die beiden entwickeln eine Melodie, die eine mathematische Formel umsetzt. Diese Melodie soll den Zugang zur Organisation öffnen. Als sie sie in halbem Tempo spielen, werden sie durch ein langes Rohr in eine von der Erde aus nicht sichtbare Ebene emporgesogen.

In der Stadt entwickeln sich Bandenkriege. Die ältere Schwester eines der Jungen folgt ihnen, verirrt sich in Konstruktionen aus dunklem Metall und gelangt schließlich in eine große Halle. Jugendliche liegen herum, darunter ihr Bruder und dessen Freund. Sie tragen kostbare Kleider, besetzt mit zusammenpappenden Edelsteinen. Eine weitere, noch höhere Ebene übt Macht über diese aus. Ein Gesandter erscheint und wirft weiße Lollis unter die Menge. Alle sind begierig, einen zu schnappen, denn er enthält die Droge, unter deren Einfluß sie auch jetzt stehen. Die Ebene wird abgedunkelt, nur die Lollis leuchten weiß. Jetzt ist die Schwester als die ohne Lolli identifizierbar. Der Gesandte versucht sie mit einer messerscharfen Peitsche zu erschlagen und zu durchtrennen. Sie hat nur eine lange Metallstange, an der sie die Peitsche aufzuwickeln und ihn zu sich heranzuziehen versucht. Sie kann ihn besiegen, ist aber ohne Chance gegen weitere Abordnungen der zweiten Ebene.

 

A – Ein Flugzeug, eine große Linienmaschine, wird abgeschossen und kann notlanden, mitten in der Stadt, auf einem großen Brachland, wahrscheinlich einem Fußballfeld. Ich stehe unten und beobachte, wie das Flugzeug herunterkommt, gegen die Hochhäuser taumelt, sich fängt und schließlich in die Erde bohrt. Es bricht in zwei Stücke. Man kann die Passagiere sehen, da, wo es aufgeklappt ist. Ich warte auf eine Frau, die ich betreuen soll. Sie steigt aus, und ich helfe ihr, zum Wagen zu kommen. Sie sagt fast nichts und wirkt ziemlich ruhig. Ein anderer Mann dagegen, im grauen Anzug und mit Aktentasche, rennt zum Flugzeug zurück und setzt sich wieder hinein. Er denkt, es sei wie bei einem Bus an der Endhaltestelle, oder einer Straßenbahn, die eine Weile stillsteht und dann wieder zurückfährt. Für ihn ist es die schnellste Möglichkeit, wieder zurückzukommen.

Wir fahren im Auto durch die Stadt, ich und die Frau auf dem Rücksitz, den Fahrer kann ich nicht sehen, daneben ein junger Schwarzer im Trainingsanzug, der Rapper werden will. Draußen kommen wir langsam aus dem Gebiet der zerstörten Hochhäuser heraus. Eine große Halle, deren Dach aufgerissen ist. Dann Büsche und kleine Bäume vor dem Wagenfenster, Vorstadtmietskasernen. Der Rapper spielt uns eine Kassette vor mit einem Stück, das er adaptieren will. Er will auch so einen Erfolg haben wie Puffy und das Stück fast unverändert übernehmen. Man merkt, daß er hier aufgewachsen ist und einfach übersehen möchte, daß ihn der Zustand der Stadt an irgendetwas hindern könnte. Dieses Land ist nicht Amerika. Das Stück kommt mir ganz großartig vor, perfekt, eigentlich weiß ich gar nicht, wo da noch eine Stimme dazwischen oder darüber passen soll. Wir fahren zu einer Familie, bei der die Frau wohnen wird.

 

B – Mit zwei Freundinnen und einem Mann bin ich in einer heruntergekommenen, verlassenen Grenzstadt. Der Übergang ist ein kleines Tor in der Stadtmauer, das von einem einzelnen Beamten bewacht wird. Wir wollen zurück, doch unser Visum ist abgelaufen oder fehlt. Wir sehen Touristinnen, die es richtig machen, ihm Whisky schenken und ihn umarmen. Betrunken läßt er sie ziehen. Wir hätten nachschlüpfen können.

Durch das Tor sehen wir Flugzeuge, die auf einer Steppe vor der Grenze landen. Die Passagiere drängen uns entgegen. Eine sagt, daß sie sich freue, sich endlich sattessen zu können. Doch dort, wo sie hinwill und wir herkommen, herrscht eine Hungersnot.

Wir steigen auf einen Hügel, um einen Überblick zu bekommen, treffen dort auf ein kleinwüchsiges, semitouristisches Bergvolk in grau-weißen Gewändern, mit Fotoapparat, die ein Ritual ausüben wollen.

Sie stoßen als erstes den Mann den Berg hinab.

 

A – Ich habe in einem fremden Land, vermutlich Indonesien oder Burma, geheiratet, weiß aber noch nicht, ob ich auf Dauer bleiben will. Eines Abends soll die Verwandtschaft zu Besuch kommen. Ich räume auf und versuche, ein traditionelles Begrüßungsgericht zu kochen. Der Vater meines Mannes bemalt eine holzverkleidete Nische orange und rot, wird aber nicht rechtzeitig fertig. Als die Gäste zur Tür hereinkommen, muß er sich erst die Hände waschen, und ich bin die einzige, die sie begrüßt, verlegen und ungeschickt, denn mein Mann ist immer noch nicht zurück. Ich mache mir Sorgen. Sie reden laut, haben Geschenke mitgebracht, schön verpackte Schächtelchen, die an den Schlaufen des Einwickelbandes gehalten werden.

Als ich mich entschuldige, weil mein Mann nicht da ist, erklärt mir die Tante, daß es Unruhen gäbe und sehr gefährlich sei draußen, der Präsident solle gestürzt werden, es würde geschossen. Kurzentschlossen sage ich, daß ich die Sorge nicht aushalte und ihn suchen gehe. Auf der Straße weiß ich nicht wohin. Einige Gebäude brennen, Balken und Schutt liegen herum. Ich schließe mich der Menge an, Richtung Stadtzentrum, zum Regierungspalast. Überall sind Menschen mit Gewehren. Sie haben den Palast besetzt und lehnen sich fröhlich aus den Fenstern. Es ist ein traditioneller Bau, aus fein geschnitztem Holz, mit niedrigen Stockwerken, der Platz davor staubig. Ich bin erstaunt. So einfach ist also ein Regierungswechsel? es geht nur um den Ort, der die Macht repräsentiert? Ich bin aufgeregt und habe das Gefühl teilzunehmen, obwohl ich von der Politik dieses Landes nicht viel Ahnung habe.

Auf dem Rückweg komme ich an einer Gartenpforte vorbei, vor der sich eine kleine Gruppe versammelt hat. Ich erkenne die Frau eines wichtigen Oppositionspolitikers und stelle mich dazu, in der Hoffnung, Informationen zu bekommen. Freundinnen oder Nachbarinnen beratschlagen mit ihr, was zu tun sei. Sie hat ihren Mann seit längerer Zeit nicht mehr gesehen. Jemand hat ihr erzählt, er sei tot. Kaum jemand bezweifelt, daß er tot ist. Die Frau ist sehr ruhig, sie möchte nur wissen, wie er umgekommen ist. Sie glauben nicht an einen Zufall. Er hat früher viele Drohbriefe bekommen.

“Hat er in den letzten Tagen einen bekommen?” Die Frau dreht sich zu der Fragenden und greift sich an den Kopf. “Ich habe seit Samstag nicht mehr nach der Post geschaut, und heute ist Dienstag!”

Sie geht zum Briefkasten. Gespannt verfolgen die anderen, wie sie einen Brief herausnimmt und öffnet. Sie kann ihn nicht lesen. Ich linse über die Schultern und sehe, daß ein Teil auf englisch geschrieben ist, ein Teil auf französisch und ein Teil auf deutsch, verrate aber nicht, daß ich ihn verstehe. Ich versuche, mir alles genau einzuprägen, damit ich nach Hause laufen und es dort mit der Familie besprechen kann, aber vor Aufregung vergesse ich alles sofort wieder. Schließlich nehme ich ihn ihr aus der Hand, als sei das selbstverständlich. Als ich von der Gruppe weggehe, taucht ein kleiner Soldat hinter mir auf. Er folgt mir einen Gang hinunter. Ich halte es nicht mehr aus, bleibe stehen und schaue ihn an. Er lächelt, als wären wir in einem unguten Einverständnis, und sagt: “Komm mit.” Mir wird klar, daß er ein Soldat der alten Regierung ist. Nichts hat sich geändert. Das Ganze ist eine Inszenierung zu dem Zweck, die Feinde der Regierung erkennen und beseitigen zu können. Der besetzte Regierungspalast war nur eine Attrappe.

Wir steigen in einen Bus. Es ist ein normaler Linienbus, aber ich merke, daß auch auf den Reihen hinter mir von Soldaten bewachte Männer sitzen. Die Sitze sind sehr klein, so daß ich die Füße unangenehm anwinkeln muß. Ich schaue aus dem Fenster. Die Stadt ist düster, nicht nur wegen der Dämmerung. Rauchschwaden treiben heran. Links fahren wir am Meer entlang, das noch blau leuchtet, während die Klippen und die Ferienhäuser darauf im Dunkel verschwinden. Es gibt viele kleine Binnenseen oder fast geschlossene Buchten, die noch durch einen Zulauf mit dem Meer verbunden sind. Ich erinnere mich, daß ich einmal Leute beneidet habe, die ein Haus dort besitzen. In den Binnenseen ist das Meer ruhig und ungefährlich. Größere Fische kommen nicht über die Klippen. Dort wohnen die Reichen, die Motorboote und Wasserski besitzen. Aber mein Mann hatte mir erklärt, daß das Wasser in den Buchten noch viel verschmutzter sei als im offenen Meer. Als ich jetzt mit dem Bus entlangfahre, sehe ich, daß viele der kleinen Buchten von einer großen Pflanze überwuchert werden.

Wir halten. Ich sitze ganz vorne hinter dem Fahrer und kann vor uns ein gigantisches schwarzes Schiff sehen, das zwischen den Häusern über einer Wasserrinne an Stahlseilen aufgehängt ist. In der Dämmerung sieht es aus wie ein riesiges, drohendes Projektil, aus schwarzem Stahl, hervorragend gearbeitet, stromlinienförmig, unzerstörbar, und es ist klar, daß eine Regierung, die so etwas in der Hinterhand hat, nichts von den Rebellen zu befürchten braucht.

Der kleine Soldat kommt nach vorne und treibt die Männer aus dem Bus. Schließlich ist er bei mir angelangt und zögert kurz. Ich schaue ihn an. Plötzlich zwinkert er mir zu. Ich bleibe sitzen, bis sich der Bus geleert hat. Dann steige ich aus und gehe schnell davon, ohne mich umzusehen.

 

B – Von den alten Villen wird der Übergang zu Hotelkomplexen gesucht. Die neuen Häuser gleichen klobigen, langsamen Missippidampfern. Die Portiers tragen Landhausmode mit bayrischem Einschlag. Nur die Speisekarte hat ein Reeddach bekommen, und eine Brücke hat die Insel zur Halbinsel werden lassen.

Am Weg liegt eine Socke mit grünem Ballen, grünem Bund und rosa der Rest mit einer Kuh und zwei Blumen eingestrickt. Ein Junge kommt mir entgegen, an dessen Lenden schauen zwei weißblaue Kunstfasertatzen von hinten hervor.

Am Abend gehe ich den Weg zurück zu dem letzten offenen Imbiß. Drei Männer, fünfunddreißig bis fünfzig Jahre alt, und eine Frau, etwa fünfzig, fahren vor, essen heiße Würstchen und trinken Capri-Sonne. Sie kauft schnell noch Kirsch und Orange nach, steckt die Päckchen in ihre Handtasche und bringt das Geschirr zurück. Dann fahren sie heim.

 

A – Die Fährfahrt, die tut, als sei sie eine Kreuzfahrt, lohnt sich allein der kleinen, wohligen Melodie wegen, die uns zum Essen lockt. Wir kommen ganz aufgewühlt zurück von einem im Preis inklusiven Fake-4-Gänge-Menü und den wortlosen Rangeleien mit unserem Kellner – wir sind keine richtigen Gäste, er ist kein richtiger Kellner. Zuvor haben wir uns, hungernd, ewiglange Stunden ganz sanft im Bett schaukeln und durchbeben lassen.

Noch den ganzen nächsten Tag an Land haben wir Wattegang, der uns hilflos macht gegenüber allem, was in der Straße auf einen eindringen mag. Wir können uns gerade noch davon abhalten, einen Film auf uns einstürzen zu lassen.

 

B – Das Schiff hat eine Reihe von Swimmingpools mit über ein breites Spektrum abgestuften Temperaturen. Bestimmte Gäste bekommen einen goldenen, genoppten Badeanzug gestellt.

Björk gibt ein Konzert. Sie ist alt, abgetakelt wie Nina Hagen heute. Eine Gruppe aus dem Publikum steht auf und singt ihr ein Dankeslied. Saalordner greifen ein und fordern eine Strafe oder Gebühr. Die Gruppe bittet das Publikum, für sie zu sammeln. Das Singen habe sie alle aus dem Verderben geholt und gerettet.

 

A – Eine Party oder Feier zu Ehren einer Freundin. Sie ist erleichtert und trotzdem angespannt. Schon vorher hat sie viel getrunken, jetzt trinkt sie noch mehr. Jemand bietet ihr eine Droge an. “Ja, das ist jetzt vielleicht die richtige Idee”, und schiebt sie sich achtlos in den Mund. Wir stehen in einem Vorraum, der ziemlich dunkel ist. Leute reden durcheinander, aber es ist jedenfalls keine Party, weil es keine Musik gibt. Plötzlich geht es ihr schlecht. Sie wirft den Kopf zurück und macht eine Grimasse. Ich werde aufmerksam und frage sie, was los ist und ob sie sich ausruhen will. Ja, ihr geht es so komisch. Ich führe sie die Treppe hinauf und oben in eines der Zimmer. Sie wirft sich auf einen Stuhl. Ich hole frische weiße Bettwäsche aus einem anderen Zimmer und fange an, ein Bett für sie zu beziehen. Inzwischen ist es aber immer schlimmer geworden. Sie hat alle Kleider ausgezogen und hockt nackt auf dem Stuhl, die Arme um die Beine gelegt. Den Kopf zieht es nach den Seiten, schleudert es nach hinten, der Mund fällt offen. Sie macht den Eindruck, als sei sie in der Gewalt von etwas, hilflos, ohne die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren.

Ich rüttele sie und versuche es dann mit Schreien. “Kannst du mich hören?” Sie zuckt, aber ich weiß nicht, ob das ein Nicken ist. Ich schreie wieder, und sie fängt an, mit den Beinen zu strampeln. Das nehme ich für ein JA, obwohl die Beine dann immer weiter strampeln und sie sie nicht mehr zum Stillstand bringen kann. “Soll ich einen Arzt holen?” Sie versucht, mich in den Blick zu bekommen, aber die Augen rollen weg. “Dann muß ich ihm aber auch sagen können, was du genommen hast.” Sie bemüht sich, zu sprechen, es werden Krämpfe daraus, und sie erbricht sich. Ich renne hinüber, um etwas zum Aufwischen zu holen. Da liegt etwas Rotes, und ich halte es erst für halbverdaute Tomaten. Aber es ist ein Organ. Sie hat einen Teil ihrer Eingeweide hochgewürgt. Es sieht seltsam aus, wie eine eigenartige rote, halb durchsichtige Qualle. Oben ein Schirm, an dem etwas Kompakteres hängt. Mir wird übel. Für einen Moment habe ich das Gefühl, das Ding selbst ausgespuckt zu haben. Ich presse die Hände vor die Rippen, als könnte ich das inwendige Loch stopfen. Dann renne ich die Treppe runter, um Hilfe zu holen. Jemand kommt mit, schlechter Laune. Mir fällt ein, daß sie noch nackt ist, und ich stürze ins Zimmer, um ihr etwas überzuziehen.

 

B – Dufflecoat, groß, dunkles Haar, blaue Augen, mildes Gesicht, bietest du mir mehrfach deinen Platz erst ganz, dann zur Hälfte an. Ich lehne ab.

Tags darauf stehst du vor meiner Tür, gemeinsam mit einem Freund. Etwas förmlich, vorsichtiges Kennenlernen, Geplänkel, die den Eindruck lassen, daß es hätte mehr sein können.

Am nächsten Abend folgt die Einladung, in die Disco mitzukommen. Ich versetze dich aus Unentschlossenheit.

 

A – Dein Haar hat einen goldenen Schimmer, die Augen stehen weit auseinander.

 

B – Das Haar glänzt in der Sonne, das eine Bein zuckt.

Schläfrigkeit hat unser Gesichtsfeld verengt, daß sich jeder außerhalb der Sichtweite des anderen befindet. Es soll noch lange dauern, bis wir uns bekommen.

 

A – Ich lese Illustrierte, bin krank, aber nur ein bißchen, daß meine Bettlägerigkeit einen schlechten Eindruck macht.

Ich schreibe allen Bekannten, mir gehe es wieder gut, etwas, wovon ich keine Ahnung gehabt hätte, wenngleich ich mich an eine alte Vorstellung erinnert fühlte. Daß ich ein Geschenk für sie hätte und hoffte, es mitzubringen.

 

B – Meine Schwester hat unseren rituellen Selbstmord geplant und zu diesem Zweck einen Swimmingpool gemietet, der Ort, an dem man so etwas tut. Jemand nimmt einem die Kleider ab, ein spezieller Badeanzug wird bereitgestellt. Dann geht man ein letztes Mal aufs Klo, um das Schwimmbecken nicht zu beschmutzen. Meine Schwester kommt und fragt mich, ob ich einverstanden sei. Ich weiß, daß es Teil des Rituals ist, und bejahe, stelle mir aber gleichzeitig vor, daß ich ja sagen muß, da ich nun einmal so weit mitgemacht habe, daß aber mein Körper von selbst dafür sorgen wird, daß ich nicht untergehe. Das Unterwasserbleiben ist schließlich eine solche Qual, daß kein noch so perfektes Ritual darüber hinwegtäuschen kann. Mein Körper wird wieder auftauchen und Luft holen.

 

A – In den Lauben des Gartens flammen alle Augenblicke bengalische Feuer auf, die das Gitterwerk und Laub mit Farben sprenkeln. Inmitten der Petarden kann man sich gegenseitig nur tastend erkennen.

 

B – Sie tragen Sprengkörper bei sich. Alles, was sich wölbt, wirkt gefährlich. Sobald eine Schwangere erscheint, hat sie die Straße für sich allein.

 

A – In dem Areal zwischen zwei Boulevards leben Geisteskranke. Der Staat zahlt ihnen die Miete. Sie holen sich die Tranquilizer und Analeptica in den psychiatrischen Instituten ab und leben gedämpft in Stundenhotels. Manchmal laufen sie mit einem großen Messer herum, aber sie sind leicht zu überwältigen.

 

B – Vier halbstarke Jungen und vier Mädchen sitzen in einem amerikanischen 70er-Jahre-Kombi, schwarz mit schwarzen Vorhängen.

 

A – Sie essen Chips, trinken Bier. Die Jungs gebärden sich als Machos, bedrohen die Mädchen mit Messern und machen dann Petting mit ihnen. Die Mädchen schreien, doch scheint es für sie nur dazuzugehören. Es reizt sie, mitten in der Stadt, am Hafen zu sein, von den Passanten nur durch Vorhänge getrennt.

 

B – 30 Jahre später kommen sie aus der Verbannung zurück, in die sie wegen unbedachter Raubüberfälle mußten. Sie haben keine körperliche Not gelitten, doch nur sich gesehen und gehabt. Sie sehen stumpf aus, die Frauen haben hängende Backen. Sie werden auf frühere Bekannte treffen. Werden sie sie wiedererkennen? Sie haben sich noch einmal radikal verändert. Wie vom Baby zum Erwachsenen. Und ähnlich schwer wie Babys lassen sich auseinanderhalten.

 

A – Wir spielen Theater: Krieg, Schießereien. Doch einer drückt mir, als mich mehrere fest am Boden halten, eine Zigarette auf dem Arm aus. Die anderen reagieren nicht. Nicht weil sie es nicht bemerken. Sie sind im Spiel aufgegangen, können die Grenze nicht mehr ziehen.

Ich täusche vor, in Ohnmacht zu fallen, und werde in Ruhe gelassen. Später gehe ich zur Polizei, um Anzeige wegen Körperverletzung zu erstatten.

 

B – Ich werde noch einmal kommen, in acht Jahren, dann ist ein mir wichtiges Grab abgelaufen, und ich werde die Reste vom Friedhof holen.

 

A – Niemand ist mir nachgekommen, und ich bin weitergeschritten, möglichst hoch, wo es flattert, es buschig und niedrig wächst.

 

B – Nun habe ich die Lampe anzünden lassen, und es ist viel heller für mich. Ich habe in tiefem Schlaf gelegen und bin weit fort von der Erde gewesen. Es war nicht unheimlich, ich hörte sogar ein wenig Musik, und vor allem war es nicht dunkel. Ich bin dankbar. Aber jetzt habe ich keine Kräfte mehr.

 

Für: Träume, Abend mit Kurzfilmen und Lesungen, kuratiert von Antje Majewski und Ingo Niermann (1998)