Nähme man an, eine Künstlerin hätte sich Ende der fünfziger oder Anfang der sechziger Jahre in New York entschlossen, Malerin zu werden. Sie hätte wenig andere Malerinnen gekannt, aber fast nur Malerei um sich herum gesehen. Am College hätte sie versucht, ihren Vorbildern nachzueifern, beim Ausgehen die ermüdende Rolle des Groupies übernehmen müssen. Der Club öffnete sich nicht für Frauen, die in der Absicht gekommen waren, den neuen Heroen der freien Welt Konkurrenz zu machen.[1] Was also hätte sie in den folgenden Jahren getan? Was für Möglichkeiten hätte sie um sich herum für sich gesehen?

Die Malerei ganz aufgeben? Warum auch nicht. Jede andere Kunstpraxis sah daneben frischer aus.

Die zweite Möglichkeit wäre das Vertrauen darauf, daß die Sprache der Kunst genderunabhängig sei und Qualität sich bezahlt mache, was sie im Fall von Agnes Martin oder Bridget Riley auch tat.

Drittens könnte sie glauben, es gäbe eine essentiell weibliche Sprache, die sich von der der Männer unterschied. Judy Chicago, Miriam Schapiro und Lucy Lippard versuchten, in den abstrakten Bildern von Künstlerinnen eine Tendenz zur Zentrierung auszumachen, die “Center-Hole”-These, die, nachdem die unter den formalistischen Forderungen der Männerkunstwelt verschüttete Wahrheit einmal erkannt war, folgerichtig zu “Cunt-Paintings” (oder “Central-Core-Imagery”) führte. Die Vorliebe von bestimmten Künstlerinnen für weiche, organische Formen und Löcher in der Mitte ließ an den weiblichen Körper (speziell an Gebärmutter und Vagina) denken.[2] Für Männer also Sprungbretter, für Frauen Rettungsringe[3].

Eine seltsame Verbindung von Möglichkeit zwei und drei stellt das Pattern and Decoration Movement dar, eigentlich auf feministischem Mist gewachsen, aber der Präsentationsform nach kompatibel mit dem, was man sich unter Kunst, inhaltlich kompatibel mit dem, was man sich unter neuer selbstbewußter Weiblichkeit vorstellte. Ging es um die erstaunlich vielen männlichen Künstler, dann waren es auf einmal nicht mehr die Quilts und Nadelarbeiten der amerikanischen Mütter, sondern “der Orient”, diese imaginäre weibliche Welthälfte, die die heiter mattissig aussehenden Bilder und Interieurs inspirierte.

Schließlich machte es für die Künstlerin einen wesentlichen Unterschied aus, ob sie eine Afroamerikanerin oder eine Chicana oder eine Asiatin oder eine Weiße etc. war. In den ersten Fällen hätte sie mit weit geringerer Wahrscheinlichkeit ein Kunstcollege besucht. Nicht nur von den (weißen) männlichen Künstlern, sondern auch von den euroamerikanischen Feministinnen nach 1970, die die Mehrheit bei Diskussionen, Vereinigungen wie den “Woman Artists in Revolution (WAR)”, Konferenzen und ersten feministischen Gruppenausstellungen bildeten, hätte sie sich oft ausgeschlossen gefühlt, obwohl es Stars wie Faith Ringold und Betye Saar gab[4]. Afroamerikanische Künstlerinnen formierten ab 1970 Protestgruppen, die Aktionen und Ausstellungen organisierten. Daß zeitgleich feministische Gruppenausstellungen stattfanden, die einerseits ausschließlich weiße (wie SoHo20) bzw. schwarze (Gruppe “Where we at”, Nyumba Ya Sanaa Gallery) Künstlerinnen zeigten, macht sehr deutlich, daß die Trennung nach ethnischer Zugehörigkeit auch innerhalb der feministischen Bewegung stattfand.

Chicanas und Latinas waren meist weniger daran interessiert, in eine wie auch immer geartete Galerienszene vorzudringen. Um und nach 1970 formierten sich unter ihnen Gruppen wie die “Mujeres Muralistas” oder zeitweilige Arbeitsgemeinschaften von Stadtteilbewohnern oder Jugendgangs unter der Leitung einer Künstlerin (z.B. Judith F. Baca, Tomie Arai oder Juana Alicia), die sich auf die Tradition der mexikanischen Wandgemälde beriefen. Ihre Arbeit war nicht auf ein Kunstpublikum ausgerichtet, sondern vor allem auf die Bevölkerung der jeweiligen Stadtviertel. Ebenso wie für die Druckgrafik und Plakate von Künstlerinnen wie Yolanda M. Lopéz und Ester Hernández war die Umsetzung allgemeinverständlicher Botschaften und Gefühle wichtig. Selbstachtung und Emanzipation der Frauen war das große Thema, für die Betrachterinnen wie die Malerinnen/Grafikerinnen. “Activism in the 70’s had to do with me turning upside down the notion that the creation of monumental art was a male act. I started painting these ferocious Indian women who looked like they could devour you – in the ‘Uprising of the Mujeres’, for example”, sagt Judith Baca[5].

 

Daß es neben den aufgezählten noch eine andere Möglichkeit gab, wird weitgehend übersehen. Viele euroamerikanische Künstlerinnen suchten ihre Vorbilder in der europäischen Malereigeschichte. June Blum, Janet Cooling, Rebecca Davenport, Jillian Denby, Martha Edelheit, Martha Meyer Erlebacher, D.J.Hall, Audrey Flack, Eunice Golden, Shirley Gorelick, Connie Green,Cynthia Mailman, Mariann Miller, Catherine Murphy, Joan Semmel, Sylvia Sleigh und May Stevens[6] gingen in den sechziger Jahren zu einer Sprache zurück, die ausgestorben schien: zum Realismus. Die meisten hatten als junge Künstlerinnen abstrakt expressionistisch gemalt; eine Rückkehr noch hinter den “Beginn der Moderne” hatte etwas seltsam rückwärts-vorwärts Gewandtes. Man klinkt sich aus dem herrschenden Modus aus, indem man zum besiegten, ehemals herrschenden zurückkehrt. Der wird aber als Schleichpfad genutzt, als Abkürzung oder auch einfach als Ausweg. Die Wiederaufnahme des Realismus war nicht einfach nur die einer toten Sprache. Es war eine Sprache, die für tot erklärt wurde, die aber beim breiteren Publikum bis jetzt begehrt ist, weil es sie “versteht”[7]. Und eine Sprache, die genügend Formeln, Symbole, Kompositionsgesetze, Bedeutungsmuster, Stilmittel und Vorgängermodelle angesammelt hatte, um auch komplexe Sachverhalte sichtbar machen zu können: von Propaganda bis zu Anspielungen und Ironie, vom Abbilden dessen, was man liebt oder haßt bis zu verschachtelten Zitaten aus der Kunstgeschichte, deren Sinn entstellt und verbogen wird, bis man mit der alten Sprache etwas Neues sagen kann. Eine solche Umdeutung vorzunehmen, ist in sich schon politisch. Deswegen wundert es nicht, daß sich viele der neuen Realistinnen im Umkreis der neugegründeten Frauenkooperativgalerien, feministischen Kunstzeitschriften wie “Heresies” oder “Women’s Art Journal”, Protestaktionen gegen die offizielle Museumspolitik und gemeinsamen Aktionen wie dem “Sister Chapel”-Projekt finden. Eine Gruppe wurde dabei nie gebildet; ihre Zusammenfassung geht also nur von mir aus. Man kann zu Recht fragen, ob es sinnvoll ist, die aufgezählten Frauen von anderen RealistInnen oder FotorealistInnen zu trennen. Mich interessieren diejenigen, die man “feministische Realistinnen” nennen könnte, wobei der vertretene Feminismus sehr unterschiedlich aussehen kann: also eine spezifische Arbeitsweise, die sich Feministinnen aneigneten und die von männlichen Künstlern kaum genutzt wurde (Ausnahmen, wenn auch mit anderen Inhalten, wären Jack Beal und Alfred Leslie, also die “traditionellen Figurativen” mit humanistischem bis moralistischem Ansatz). Nicht besprochen werden Realistinnen wie Janet Fish oder Sylvia Mangold, die Gläserstilleben, Fußböden und Interieurs malten. Linda Nochlin nennt sie “pictorial phenomenologists” und unterscheidet realistische Bilder mit Inhalt (subject) von solchen mit Motiven (motif).

In den zeitgleichen Bewegungen des Fotorealismus und der “Neuen Figurativen” geht es im Wesentlichen um motifs: leere Städte mit spiegelnden Schaufenstern; Rassepferde; Leuchtreklamen; Dinereinrichtungen; die spiegelnden Oberflächen von Motorrädern, Autos und Blechspielzeug. Pearlsteins Frauenakte sind Massen im Raum mit Haut drumherum, auf der das Licht so oder so reflektiert (keine Subjekte, sondern Objekte, wie Pearlstein sagt)[8]. Natürlich gibt es auch Fotorealistinnen wie Idelle Weber (städtischer Abfall) oder Diane Burko (Bergketten), die sich ebenfalls auf ein Markenzeichenthema beschränken und ähnlich arbeiten wie ihre männlichen Kollegen.

Den “feministischen Realistinnen” geht es um Mitteilung, und das heißt um (narrativen) Inhalt; Malerei wird als Kommunikationsmedium eingesetzt. Sie behaupten nicht, distanziert zu sein. Wenn das Dargestellte extrem vergrößert wird, dient es nicht größerer Verfremdung, die den Gegenstand zum Vorwand für Malerei werden läßt, sondern größerer Intimität. Wenn Fotografien als Vorlagen benutzt werden, dann als Hilfsmittel, nicht als Konkurrenzmedium, das man übertölpelt. Perspektive und Komposition geben sich nicht objektivistisch, sondern als von der Künstlerin entworfene, nachzuvollziehende, mit ungewohnten Blickrichtungen, Dingen, die falsch zueinander im Raum stehen, angeschnittenen Figuren und Stilisierungen. Eine Neukonstruktion der Sicht auf Menschen wie Gegenstände wird eingefordert und vorgeführt. Und es werden Versuche gemacht, eine neue Ikonographie zu bilden.

Drei Künstlerinnen möchte ich hier vorstellen.

 

Joan Semmel verbringt die Jahre 1963-1970 in katholischen Ländern (Spanien, Südamerika), wo sie expressionistische Bilder malt und zeigt. Als sie 1970 nach New York zurückkehrt, überrascht sie der Sexismus der öffentlichen Medien. “The girlie magazines, the sexploitation all over was a shocker. (…) It wasn´t even sexual, it was just hard sell (…)”[9]

Eine einfache Empörung, eine einfache Reaktion: Ich lasse mir dieses Vergnügen nicht nehmen, ich stelle es selber dar. Ich brauche nur an mir herunterschauen, aus meinen Augen, auf meinen Körper, der Körper des Liebhabers gerät seitlich in den Blick. “(…) identification and communal pleasure displace possible voyeurism, and body-as-object is not a given, but rather a question.”[10] Die Bilder heißen “Intimacy- Autonomy” (1974) oder “Me without Mirrors” (1974).

 

Joan Semmel Touch, 1977

Joan Semmel
Touch, 1977

 

Sie verwendet Fotografien als Vorlagen, die aber den subjektiven Blick nur befördern: Brüste werden zu Gebirgen, die Füße verschwinden klein im Hintergrund. Joan Semmels Kopf ist nicht sichtbar, weil sie aus ihm herausschaut und mit ihr die Betrachter. Die Szenerie ist keine Momentaufnahme, sie möchte mehr sein. Deswegen verschwinden die Hintergründe in einer planen Fläche, deswegen verschieben sich die Farben zu fahlem Grün, hellem Orange, Lila. Die Lesart dieser Körper als Landschaften, wie sie Kritiker damals vornahmen, entschärft und versucht, so zu tun, als ginge es hier um dieselbe alte “reine” Malerei. In dem Artikel “Sexual Imagery in Women’s Art” schreibt Semmel über sich selbst in der dritten Person: “Semmel’s larger-than-life depictions of the sex act fill the viewer’s visual field with richly coloured flesh. She innundates us with it, making us aware of it’s tactility (…). She portrays the naked body, male or female, with loving attention to its gentle rhythms, swellings and concavities, as though she is following them with her hand instead of her brush.”[11]

 

Joan Semmel With Stripes, 2003

Joan Semmel
With Stripes, 2003

 

Ich habe noch keine Abbildung ihrer “fuck paintings” gefunden. Joan Semmel habe Paare zum Ficken eingeladen, schreibt Joanna Frueh, in ihr Atelier, wo sich eine ganze Gruppe einfand, die das Paar filmten, zeichneten oder fotografierten. “Semmel would move around with her camera, looking where she wanted, seeing with her desire, creating an imagery as different from standard porns as her single female figures from conventional nudes.”[12]

 

Joan Semmel, Close-Up, 2001

Joan Semmel, Close-Up, 2001

 

Semmel ist die perfekte Illustratorin der sexuellen Befreiung, überzeugt von dem Weg, der von “Pleasure” über “Insight” zu “Empowerment” führen wird[13]. Ermächtigung zunächst von heterosexuellen Frauen, wie es aussieht. Es gab eine ganze Reihe von Künstlerinnen, die Männerakte gemalt haben, aber, jedenfalls so weit ich weiß, keine, die sich des Erbes von Romaine Brooks oder Tamara de Lempicka angenommen hätte. Gerade wenn es um realistische Frauenakte geht, die mit Begehren verbunden werden, wird es noch schwieriger, neue Formulierungen zu finden. Semmel umgeht das Problem, indem sie zu dem nackten Körper mit den Brüsten ICH sagt. Das ist es, was ich sehe. Und jetzt siehst du es auch, egal, in welchem Körper du bist.

 

Sylvia Sleighs Blick geht nicht am Körper entlang, er geht zurück in die Malereigeschichte und holt Bilder herauf, die nur zu bekannt sind: der Maler und sein Modell, die pseudoorientalischen Odalisken Ingres’, die stilisierte Schönheit rätselhafter Frauen bei den Präraffaeliten und Botticelli. Sie hat die Chuzpe, das einfach umzudrehen. Jetzt heißt es: die Malerin und ihr Modell. Ihre Odalisken sind nackte Kunstkritiker, ihre Musen zwei junge Männer mit üppiger Kopf- und Brustbehaarung[14]. Die bekanntesten Gemälde paraphrasieren Goyas “Maja desnuda” (“Paul Rosano reclining”, 1974), Ingres “Türkisches Bad” (“The Turkish Bath”, 1973) und Velazquez “Venus und Cupido (“Philip Golub reclining”, 1970). Auch wenn es, abgesehen von zeitgenössischer Kleidung und Möblierung, nirgends eine genaue Übersetzung oder Umdrehung gibt, wird der Rollentausch selbst von feministischen Kritikerinnen als naiv oder empörend empfunden.

“When I was a young girl I thought about all the beautiful pictures of beautiful women- and there where not so many pictures of beautiful men for us- so I painted beautiful men for us!”[15] Kann man es sich wirklich so einfach machen? Man findet entweder die Bilder mißlungen oder die Posen “forced and uncomfortable”[16]. Sarah Kent fühlt sich in einen schuldbewußten Voyeurismus gezwungen, da die Männer sich zwar darbieten, sie aber noch anschauen. Tatsächlich hat Sleigh wert darauf gelegt, ihre Modelle als Persönlichkeiten, sozusagen als erotische Porträts wiederzugeben.

 

Sylvia Sleigh The Turkish Bath, 1973

Sylvia Sleigh
The Turkish Bath, 1973

 

“My idea was to do a Turkish Bath which would be exactly the opposite of Ingres’ heap of flesh. Everyone in mine would be fully individualized, all would be portraits.”[17] Und sie fügt hinzu: “You see, I hardly ever paint people until I’m rather in love with them.”[18] Dieser “elegante und generalisierte Erotismus”[19] ist für Rosalind Parker und Griselda Pollock zu wenig: “These contemporary men indicate relaxation, familiarity, but not sexuality. There is a radical difference between the public form of a nude reproducing simultanously male power and male fear of difference and the individual artist’s encounter with a sitter who has agreed to pose for a portrait without his clothes on.” Sie schließen mit einem harschen Verdikt: “Masculine dominance cannot be displaced merely by reversing traditional motifs and thinking that this automatically produces an alternative imagery”.[20]

 

Double Image: Paul Rosano oil 1974

Sylvia Sleigh, Double Image: Paul Rosano, 1974

 

 

 

 

Nur Linda Nochlin findet den armen Paul Rosano mit der halbgeöffneten Jeans und dem weggetretenen Gesicht[21] erotisch, gerade weil er eine Person sei und nicht “so bar jeder Intelligenz oder Energie wie Brüste oder Hintern”.[22] Sylvia Sleigh geschieht ihrer Ansicht nach nichts anderes als Manet zu seiner Zeit: das Neue muß erst einmal verdaut werden. Vielleicht ist das sogar richtig. Wenn R. Parker und G. Pollock der geballten “male power” und “masculine dominance” eine einsame, unbedeutende Künstlerin gegenüberstellen, die zufällig nette Freunde hat, übersehen sie, daß Sylvia Sleigh, wie immer man ihre Bilder findet, nicht allein ist. Schon die Tatsache, daß es diese Freunde gibt, zeigt, was sich gerade ändert. Dabei sind es nicht nur die befreundeten männlichen Kunstkritiker wie Dennis Adrian, John Perrault und Laurence Alloway[23], die den Unterschied ausmachen.

Es gibt nämlich noch eine andere, weniger spektakuläre und weit weniger besprochene Seite von Sleighs Arbeit: ihre Porträts und Gruppenporträts befreundeter Künstlerinnen. Cynthia Mailman zum Beispiel wird zur Sheherezade, Sabra Moore zur Ceres. Eine Ceres von 1977 trägt eine leichte blaue Bluse mit floralen Motiven und Ohrringe in Fischform. Zu ihren Freundinnen zählt Sylvia Sleigh außerdem Aphrodite, Nukua, Persephone, Isis und Artemis. Ihre Göttinnen sind keine Mutter- und Erdgottheiten; daß eine Freundin als Göttin gesehen werden kann, bedeutet eher eine kleine liebevolle Exaltation. Das Bild heißt nicht “Sabra Moore als Ceres” oder einfach “Ceres”, sondern “Sabra Moore: My Ceres”.

Für das Gemeinschaftsprojekt der “Sister Chapel”, das Ilise Greenstein 1973 initiierte, malte Sleigh eine Lilith. Die “Sister Chapel” war ein kleiner profaner Tempel von Frauen für Frauen, geschmückt mit Bildern realer oder mythischer Heroinen[24]. Zwölf Malerinnen nahmen teil; die Darstellungen reichten vom Porträt der Politikerin Bella Abzug (Alice Neel) über “Superwoman” (Sharon Wybrants) bis zum “Selbstporträt als Gott” (Cynthia Mailman).

Sleigh, die 1961 von England nach New York gekommen war, lernte 1970 die Künstlerinnen Nancy Spero und May Stevens kennen, durch die sie in Kontakt mit einem Netzwerk untereinander befreundeter und teilweise kollaborierender Künstlerinnen kam, in den Organisationen “Ad Hoc Committee” und “Women in the Arts” sowie den kooperativ gegründeten Galerien A.I.R. (Artists in Residence) (ab1972) und SoHo 20 (ab 1973). Beide Galerien zeigten nur Künstlerinnen und bekamen wenigstens anfangs viel Aufmerksamkeit. Sleigh gehörte zu den Gründungsmitgliedern von SoHo 20 und stellte später bei A.I.R. aus. Von den beteiligten Künstlerinnen und Mitarbeiterinnen malte sie zwei korrespondierende Gruppenbilder, auf denen sie jeweils um ein Sofa herum posieren, im Hintergrund eines von Sleighs Bildern. Sie sehen ernst aus, aber nicht gelangweilt, und ihre Kleider schwelgen in lila, rot und apfelgrün, in Streifen, Karos und Ornamenten. Auf einem ist sie selbst zu sehen, wie nachträglich hinzugefügt, ein bißchen zu schief und zu klein.

Sleigh wurde immer wieder Unbeholfenheit in Komposition und Maltechnik vorgeworfen. Ihr Vorbild ist aber nicht die Präzision einer Fotovorlage. In der liebevollen Insistenz auf Einzelheiten, ob es die dekorativen Brusthaare ihres Modells oder eine Falte im Stoff sind, im Verwenden von gemusterten Hintergründen und seltsamen Perspektiven und in ihren leuchtenden Farben sehe ich sie als Malerin weniger mit Rossetti verbunden als mit Bonnard und Renoir. In den späteren Bildern legt sie viele sehr dünne, leuchtende Lasurschichten übereinander; Sleigh muß lange an einem Bild arbeiten, und man sieht die investierte Sorgfalt und Ernsthaftigkeit.

Mein Lieblingsbild ist das große “Invitation to a Voyage: The Hudson River at Fishkill” (seit 1983), ein rechteckig aufgebautes Panorama mit zwei Eingängen, bestehend aus vierzehn Paneelen, die sich zu zwei großen Ansichten zusammenfügen: einmal eine kleine Lichtung im Wald, auf der sich eine Gruppe zum Picknick niedergelassen hat, auf Liegestühlen, dazwischen ein Maler mit Staffelei; die andere ein steiniges Ufer, auf dem Männer und Frauen spazieren, miteinander reden, herumklettern, im Wasser weit weg eine Insel mit einem kleinen Schloß. Links führen Bahngleise aus dem Bild heraus. Jeder Stein, jedes Blatt ist da, alles ist vorhanden, eine glaubhafte Fülle. Eine der Frauen streckt ihre Hand aus und lädt dich ein. “Warum zögerst du? Komm zu uns, komm nach Kythera!”

 

Audrey Flack ist die einzige der Künstlerinnen, die damals erfolgreich war; die erste Photorealistin überhaupt, nach Ansicht von Louis K.Meisel, in dessen dicken Bänden über Fotorealismus sie (als einzige Frau) ein Werkverzeichnis bekommt[25]; angekauft von den großen New Yorker Museen; und versehen mit einer langen Ausstellungs- und Publikationsliste. Ihre Bilder ab 1971 waren, wenigstens ihrer Technik, Erscheinung und Größe nach, in einen fotorealistischen Zusammenhang einzuordnen und wurden ab 1978 durch die O.K.Harris Gallery von Ivan Karp, dem Hauptpromoter des Fotorealismus, vertreten.

Nach einer Serie von Selbstporträts und Porträts ihrer Töchter in den Fünfzigern beginnt Flack ab 1962, Zeitungsfotos als Vorlagen zu verwenden. “She wanted to move away from the confines of her Upper West Side appartment- with the noises of Broadway buses, the neon lights of the liquor stores and cheap residence hotels flashing across the street, and the smells of the city- out into the space of the world, even when only vicariously through photojournalism. Using photographs published in magazines and pictorial albums, she scrutinized the public demeanor of political leaders as a way to understand the workings of the world: Hitler, Roosevelt, Stalin, Churchill, Rockefeller, Kennedy – men who need no first names to identify them.”[26] Ergänzt werden sie von in der Öffentlichkeit stehenden Frauen wie Marylin Monroe, Caroll Baker und Melina Mercouri. Die Gesten der Männer symbolisieren Macht, die der Frauen Verführung. Patricia Hills findet sie mißlungen: “Flack does not seem to have had the commitment to persuade us of their sexual power”[27]. Aber das war auch nicht ihre Absicht. Das Bild Mercouris zeigt sie auf einer Party, lachend, die Halsmuskeln verspannt, für Flack das Verbergen von “schrecklichem Schmerz”, den sie mitempfindet.

Als sie 1964 ein Bild des schwarzen Boxers Davey Moore malt, der nach einem Interview plötzlich tot umgefallen war, nennt sie es “a kind of social protest realism”. Sozialer Protestrealismus: zwei schwarze Frauen, die um Kennedy trauern, die alten Lehrerinnen Trumans, eine zahnlose mexikanischen Obstverkäuferin, eine Demonstration nach der Ermordung Martin Luther Kings. Bis auf die Fotos vom Markt in Oxaca und den “War Protest March” gehen alle auf Zeitungsfotos zurück. Die Bilder sind summarisch gemalt, genau in der Wiedergabe des Geschehens, aber nicht im späteren Sinn fotorealistisch; durch kleine Vereinfachungen und die Wahl des Ausschnitts, vor allem aber durch die Tatsache, daß sie gemalt sind, machen sie aus einem zufälligen Schnappschuß eines Journalisten eine neue Art von Historienbildern. An den Dargestellten lassen sich Gefühle ablesen, die für viele sprechen können; und die Übertragung funktioniert vielleicht gerade deshalb, weil trotzdem jeder als spezifische Person sichtbar wird, nicht als Übermittler einer Botschaft. Es ist populistische Kunst, die auch so gemeint ist.[28] “I believe that people have a deep need to understand their world and that art clarifies reality for them.”[29]

Flack scheint sich in den folgenden Jahren zu fragen, was Massenwirksamkeit von Kunst bedeuten könnte. Ab 1971 beginnt sie mit einer Serie von Bildern nach allgemein bekannten kunsthistorischen Motiven: der Turm von Pisa, die Kopie von Michelangelos David, schließlich vor allem die Madonnen der spanischen Barockbildhauerin Louisa Roldán, die bis heute in Spanien verehrt werden. Während die ersten noch sehr genau, aber in Einzelheiten vereinfachend und mit dem Pinsel gemalt sind, werden die Madonnen mit Airbrush gesprüht. Alle Kompositionen betonen den öffentlichen Charakter der Motive: achtlos wie ein Touristenfoto oder perfekt wie eine Postkarte. Die Faszination, die “Dolores von Cordoba” oder “Macarena Esperanza” für Flack haben, liegt aber auch in der Pathetik, mit der die barocke Bildhauerin die Madonna leiden läßt.[30] Über den “David” sagte Flack: “I also painted the eighthundert bricks behind him. That’s my baroque detail. I think my art has always been very baroque. I love multiplicity, curves, detail. But David is also a symbol. It’s something everyone can relate to and I want my work to be universal.”[31]

 

Audrey Flack Chanel, 1974

Audrey Flack
Chanel, 1974

 

Richtig barock sind die Stillebenserien ab 1972. Hier versucht sie, die symbolische Bildsprache der Stilleben des 17.Jahrhunderts weiterzuentwickeln, besonders beeindruckt von den Stilleben Rachel Ruyschs und einem Vanitasgemälde Maria van Oosterwycks von 1668. Die kühle, überdimensionierte Darstellung von alltäglichen Gegenständen ist zur selben Zeit bei FotorealistInnen wie Idelle Weber oder Ben Schonzeit zu finden; aber Flack überfrachtet sie mit Bedeutungen, die sich teils über die barocke Ikonographie der Vanitas- und Fortunabilder, teils aus privaten Zusammenhängen ergeben. Die “universalen” Gefühle – Trauer, Vergänglichkeit, das Empfinden von Schönheit und Lust, die Unbeständigkeit des Glücks – erscheinen in einem bourgeoisen, hermetischen Interieur, aus dem kein Blick auf die Welt draußen riskiert wird. Je allgemeiner die Menschheit wird, für die sie sprechen will, desto mehr spricht sie für sich selbst, ohne die Ursachen ihrer Angst abbilden zu können – auch wenn sie ihr “seltsam schönes autistisches Kind” Melissa und eine unglückliche Ehe sein sollten. Die Farben, die sie jetzt nach einer Diaprojektion auf die Leinwand aufsprüht, zuerst “wie ein Maulwurf” im Dunkeln arbeitend, sind so leuchtend und rein, als gäbe es keine Vergänglichkeit[32]. Alles funkelt und glitzert. Es gibt eine Menge von weiblich konnotierten Gegenständen wie Schminkutensilien, Perlen, Nippes, kleinen Vasen (z.B: In “Jolie Madame”, 1972, “Chanel”, 1974). Die Anordnung der Spielkarten, die halbgerauchten Zigaretten, die Uhren, die Perfektion der Oberflächen von überfrischen Früchten und appetitlich glänzenden Törtchen verweisen auf das schon halb gelebte Leben, auf die Möglichkeit von Katastrophen, auf die Verletzbarkeit dessen, was in Ruhe existieren möchte. Das zeigt sich auch in den Kompositionen, in den überbordenden, vollgestopften Bildern, von denen einige durch einen grauen Rand zusammengehalten werden. Meist verwendet sie eine halbe Aufsicht auf einen Tisch, der aber vor lauter Gegenständen fast nicht zu sehen ist. Und die fangen an, sich ohne Rücksicht auf die Gesetze der Perspektive voreinander zu drängen. Den Nagellack sieht man von vorne, das Schminktöpfchen von oben, die Äpfel fallen fast aus dem Bild heraus. Dann kommt die Entgleisung. Der Kitsch, die Erleuchtung, irgendein dämlicher indischer Baba, der Flack einredet, das Äpfel Energie enthalten (“Energy Apples”, 1980) und Birnen heilen können und wir alle “Light and Energy” sind. Heute macht sie Bronzegöttinnen[33]. Wenn alles gutgeht, wird man in den nächsten Jahren eine portugiesische Prinzessin im Hafen von New York bewundern können, die an Größe und Schönheit der Freiheitsstatue Konkurrenz machen soll.

 

Man sollte es sich nicht so einfach machen, den Versuch Semmels, Sex toll zu finden, Sleighs Rollentauschprojekt und Flacks Bekenntnis zu “Emotionen, Sentimentalität und Nostalgie” als naiv abzutun. Die Differenz, in die sie als Frauen und Künstlerinnen gesetzt wurden, produzieren sie selbst, aber als eine inhaltlich andere. Es ist keine “eciture feminin”, was hier betrieben wird, sondern der Versuch, das Gefüge einer Kommunikationsform von innen her so zu verändern, daß es andere Erfahrungen und andere Machtverhältnisse auszudrücken in der Lage ist.

Man kann nicht verlangen, daß eine solche Umdeutung und Aneignung immer mühelos und ohne Peinlichkeiten abginge. Aber all diese Möglichkeiten: die Demoiselles d’Avignon werden in Frauen zurückverwandelt; die drei Grazien sind schwarz (Shirley Gorelick); ich male mich im Spiegel und bin massiv wie ein Felsbrocken, draußen tief unter meinem Fenster die kleine Großstadt (Catherine Murphy); ein nett aussehender Nackter hockt in einer Grotte, mit Stricken umwunden, die ihn nicht zu fesseln, eher zu schmücken scheinen (Mariann Miller); auch die urbanste Frau kann schwanger werden, und es sieht unnatürlich aus (Alice Neel); ich sitze am Swimmingpool und trage ein T-Shirt, auf dem das fotorealistische Bild eines Malers mit den Buchstaben “ART” abgedruckt ist (D.J.Hall) – und überhaupt bin ich Gott (Cynthia Mailman). Sehr Siebziger eben.

In: Starship, Herbst 1998, S. 24–35

 

[1] Siehe beispielsweise die Erfahrungen Audrey Flacks, als sie versuchte, in den Club aufgenommen zu werden. “Machismo was a great part of the bohemian mystique”. In: Cindy Nemser, Art Talk. Conversations with 12 Women Artists, New York 1975, S.305 ff. Siehe auch über den Rückgang der Beteiligung von Frauen an Ausstellungen und Besprechungen in Zeitungsartikeln im Vergleich dreißiger – fünfziger Jahre in C. Streifer – Rubinstein, American Women Artists, New York 1975, S.305 ff.
Über die ideologischen Grundlagen des abstrakten Expressionismus siehe: Serge Guilbaut, Wie New York die Idee der modernen Kunst gestohlen hat. Abstrakter Expressionismus, Freiheit und kalter Krieg. Dresden/Basel 1997
[2] Besonders bei den Blumenbildern Georgia O’Keeffes, die in den Siebzigern Nachfolger fanden (Ruth Gray, Nancy Ellison und Buffie Johnson), siehe Linda Nochlin, Some Women Realists, in: Linda Nochlin, Women, Art and Power, London 1989, S.91 ff.
[3] Judy Chicago fiel das Center Hole zuerst bei ihren eigenen “Pasadena Life Savers”(1969-70) auf. Dann traf sie auf Miriam Schapiro, deren Bilder wie “Big Ox” (1968) ebenfalls als “Cunt-Paintings” deklarierbar waren. Interessant ist, daß diese Bilder zunächst restlos im Michael Friedschen Konzept aufzugehen schienen, bevor sie die Künstlerinnen retrospektiv anders lasen.
[4] “In spite of the catalyst role played by black and hispanic women artists on both coasts on the early part of the 1970’s, women artists of colour where not an integral part of the planning of alternative exhibitions nor where they deeply involved in the women’s galleries (…) except as occasional members.”Judith K.Brodsky, Exhibitions, Galleries and alternative Spaces, in: The Power of Feminist Art, Hrsg. Norma Broude und Mary D. Garrard, New York 1994, S.118
[5] ebd., S. 151
[6] Nicht alle dieser Künstlerinnen arbeiteten in New York, aber alle in Amerika. Meine Informationen über einige von ihnen sind gering, so daß ich nicht sagen kann, ob sie immer oder nur gelegentlich realistisch gemalt haben. – Bei europäischen Künstlerinnen habe ich nichts Vergleichbares gefunden, mit der Ausnahme von Maina Miriam Munsky, einer Berlinerin, die vor allem Krankenhausszenen malte.
[7] “What is taste? Whose standards do we use? Who sets up these standards, and who publizes them? Why has my work upset the modernist mainstream, when the public is so overwhelmingly responsive?” “The modernist attitude is that the public has to be educated to understand art.” Audrey Flack, Vanitas – Communication and Modernism, in: Audrey Flack, On Painting, New York 1980, S.76 ff. Sie zitiert den Kritiker John Perrault: “Representational art is often seen as unaccessible, but we all know this to be an offensive, elitist argument.”
[8] Zu den Themen der Realisten und Photorealisten siehe Diana Crane, Art and Meaning: Themes in Representational Painting, in; The Transformation of the Avantgarde. The New York Art World, 1940-1985, S.84 ff. Weitere männliche Künstler, die damals ebenfalls an einem politisch motivierten Realismus arbeiteten, sind Jeff Wall und Duane Hanson. Naheliegende Vergleiche gäbe es mit Michael Leonard, Franz Gertsch, John Clem Clarke, Gerhard Richter, Michelangelo Pistoletto (Spiegelbilder), Equipo Cronica.
[9] In: Ellen Lubell, Joan Semmel: Interview; Womanart (Winter 1977-78): 15, S.19
[10] Joanna Frueh, The Body through Women’s eyes, in: siehe Anmerkung 4), S.197
[11] Joan Semmel, April Kingsley, Sexual Imagery in Women’s Art. Women’s Art Journal Vol.1 No.1, Spring/Summer 1980, S.5
[12] Siehe Anm. 10), S.202
[13] Damals ein vorgeschlagener Weg, der eine eigene Fraktion einte. Semmel war aktive Feministin, Gründungsmitglied von “Heresies” und Mitorganisatorin der Ausstellung “Women choose women”, New York 1973.
[14] Jane Burden heißt jetzt Philip Golub, Elizabeth Sidall heißt Paul Rosano. Ironischerweise ist der dekorative Philip Golub der Sohn Leon Golubs, der sich in seinen expressiv angehauchten Bildern vor allem mit Militär, Faschismus, Sadismus und Männergewalt beschäftigte.
[15] Sylvia Sleigh in: Deborah Schwartz, An Interview with Sylvia Sleigh, Arts and Sciences, Evanstone, Illinois, Northwestern University (Spring ’78), S.12
[16] Sarah Kent, The Erotic Male Nude, in: Women’s Images of Men, hrsg. S. Kent und J. Morreau, S.95 ff.
[17] Sylvia Sleigh in: N. Trachtenberg, Paintings by Three American Realists: Alice Neel, Sylvia Sleigh, May Stevens, Womanart (Fall 1976)
[18] Zitiert nach: Making Their Mark. Women Artists move into the Mainstream, 1970-85, New York 1989, S.132-34. Joan Semmel fühlte offenbar eine Verwandtschaft, denn sie beschreibt Sleighs Vorgehen mit fast denselben Worten wie ihr eigenes: “Sleigh’s attention to detail in her male portraits is like that of a woman stroking her lover’s body.” Siehe 11), S.4
[19] “…that stays well clear of the specifically sexual”, wie Dennis Adrian meint. Mehr “bonheur de vivre” als “vulgarized by the overtly erotic.” Kein Wunder: sein eigenes von Sleigh gemaltes Aktporträt ist beeindruckend, aber sicher nicht übermäßig erotisch. Dafür ist er zu fett. Dennis Adrian, Reflection Upon Sylvia Sleigh’s “Invitation to a Voyage: The Hudson River at Fishkill”, in Sylvia Sleigh, Invitation to a Voyage and other Works, Milwaukee 1990, S.3
[20] Rosalind Parker und Griselda Pollock, Old Mistresses. Women Art and Ideology, London 1981, S.126
[21] Auf dem Bild “Venus und Mars: Maureen Connor and Paul Rosano”(1974), einer Adaption von Botticellis “Venus und Mars”.
[22] Linda Nochlin, Some Women Realists, in: Women, Art and Power, London 1989, S.104-108
[23] Alloway (der mit Sleigh verheiratet war), John Perrault (den auch Alice Neel nackt gemalt hat) , Scott Burton und Carter Ratcliff waren damals bekannte Kunstkritiker, die für “The Turkish Bath” nackt posierten. “In this large painting, freely based on prototypes by Delacroix and Ingres, the wonderful pink and blond tenderness of Laurence Alloway’s recumbent form is played out against the piercing blue intelligence of his glance, and his horizontal image against the swarthy, svelte, romantically aquiline verticality of the adjacent figure of Paul Rosano. In the same fashion, the richly hair-patterned torso of the dreamily relaxed John Perrault is nicely paired off with the stiffer, more frontal glabrousness of that of Scott Burton kneeling beside him, and the delights of these contrasts are set off by the richness and coloristic brilliance of the decorative patterns against or upon which they are set.” Linda Nochlin, siehe 22), S.106. Das dekorative Muster am Fenster ist ein Quilt, der sehr nach Joyce Kotzloff aussieht.
[24] Es gibt eine berechtigte Abneigung, sich mit dem Göttinnenkapitel feministischer Geschichte zu beschäftigen. Aber auch bei denen, die später als Essentialistinnen bezeichnet wurden, wurde nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wurde. – Die “Sister Chapel”, ursprünglich innerhalb eines Komplexes mit Bibliothek, Ruhmeshalle, Museum und Archiv gedacht, wurde nur auf einer Wanderausstellung gezeigt, zuerst im New Yorker P.S.1
[25] Louis K. Meisel, Photorealism, New York 1980, S.241. Siehe auch Louis K. Meisel, Photorealism since 1980, New York 1993
[26] Patricia Hills, The Person, the Studio, the World: Audrey Flack in the 1960s, in: Thalia Gouma-Peterson (Hrsg.), Breaking the Rules. Audrey Flack. A Retrospective 1950-1990, New York 1992, S.50
[27] ebd., S.55
[28] Nur ein Bild wirkt wie üble Propaganda: “Sisters of the Immaculate Conception Marching for Freedom”, 1965. Es liegt auch hier an der Komposition, an der Selbstgewißheit, mit der die Nonnen die verdecken, für die sie doch eigentlich eintreten: drei häßliche weiße Schwestern marschieren wie eine Mauer vor den Schwarzen her.
[29] Audrey Flack, zitiert nach: Cindy Nemser, Audrey Flack: Photorealist Rebel”. Feminist Art Journal (Fall 1975 : 10
[30] Die “Macarena of Miracles” wurde 1972 im Whitney Museum gezeigt und bekam gute Kritiken; man fand allerdings, sie sei camp. Als Flack erklärte, sie dächte wirklich, daß die Skulptur ein großartiges Kunstwerk sei, waren sie und das Bild sentimental und vulgär. (Nach: Thalia Gouma-Peterson, Iconic Images for a Secularized Age:1980-83, in: siehe 26), S.85). Was heißt camp in Bezug auf Sleigh oder Flack? Zu Flacks eigenem Verständnis ihrer Verwendung der Macarena siehe vor allem: Audrey Flack, The Haunting Image of the Macarena Esperanza, in: Audrey Flack, On Painting, New York 1980, S.32 ff.
[31] in: Cindy Nemser, Art Talk. Conversations with Twelve Woman Artists, New York 1975, S.312
[32] Flack benutzt seit 1972 fast nur blau, rot und gelb. Die Farben werden erst durch das Übereinandersprühen auf der Leinwand gemischt: ein verfeinerter Pointillismus oder auch eine neue Lasurtechnik.
[33] Seit den Energieäpfeln (1980) gibt es häßliche Schlenker auf den Glanzlichtern und grelle (nicht leuchtende) Farben. Die Bronzeskulpturen sind extrem eklektizistisch, mit Draperien und Symbolen, mal ägyptisch, mal indianisch, am liebsten griechisch, und wirken wie als “Frauen” verkleidete Aliens.

Literatur:

Allgemeine Literatur
– Boguslaw, R., The New Utopian, Englewood (N.J.) 1965
– Calas, Nicolas und Elena, Icons and Images of the Sixties, U.S.A. 1971
– Egbert, D.D., Social Radicalism and the Arts: Western Europe. New York 1970
– Greenberg, Clement. Art and Culture. Boston 1961

 

Literatur zu Feminismus und feministischer Kunst
– Baker, Elizabeth, and Hess, Thomas B. (ed.). Art and Sexual Politics: Women’s Liberation, Women Artists, and Art History. New York 1973
– Broude, Norma und Garrard, Mary D. (Ed), The Power of Feminist Art. The American Movement. New York 1994
– Greer, Germaine. The Obstacle Race. New York 1975
International Feminist Art. Haags Gemenemuseum, den Haag, 1979-80.
– Kent, Sarah, und Morreau, J., Womens Images of Men
– Lippard, Lucy. From the Center: Feminist Essays on Women’s Art. New York 1976
– diess., Twenty-Six Contemporary Women Artists. Ridgfield, Conn. Aldrich Museum of Contemporary Art, 1971
– Munro, Eleanor. Originals: American Women Artists. New York 1979
– Nemser, Cindy. Art Talk: Conversations with 12 Women Artists. New York 1975
– Making their Mark. Women Artists move into the Mainstream, 1970-85. New York 1989
– Nochlin, Linda. Women, Art and Power. London 1989
Out of the House. New York: Whitney Museum of Contemporary Art, Downtown Branch, 1978 (Kat)
– Parker, Rosalind und Pollock, Griselda. Old Mistresses. Women, Art and Ideology. London 1981
– Rose, Barbara. Vaginal Iconology. New York 1974
– Schapiro, Miriam (ed.). Art: A Women’s Sensibility. Valencia, Calif. 1975
Women Choose Women. New York: Women in the Arts, New York City and the New York Cultural Center, 1973
– Wilding, Faith. By Our Own Hands: The Women Artist’s Movement : Southern California, 1970-76. Santa Monica, 1977

 

Literatur zu Photorealismus/Realismus
– Battcock, Gregory. Super Realism: a Critical Anthology. New York 1975
– Geirlandt, Karel J., van Tiegheim, Jean-Pierre. Hyperréalisme. Maîtres américains & européens. Bruxelles   1973
– Goodyear, Frank H. Jr., Contemporary American Realism since 1960. Philadelphia 1981
– Janis, Sydney. Katalog der Ausstellung “New Realists”, New York 1962
– Kent, Sarah u. Gillen, E. Berlin: a Critical View- Ugly Realism from the 1920s to the 70s. Exposition in the Institute of Contemporary Arts, Nov. 1978- Jan. 1979. London 1979
– Lindey, Christine. Superrealist Painting and Sculpture, London 1980
– Lucie-Smith, Edward. Super Realism. Oxford 1979
– Meisel, Louis K., Photorealism. New York 1980
– Meisel, Louis K., Photorealism since 1980. New York 1993
– Kultermann, Udo. The New Painting. Tübingen 1969
– Kultermann, Udo. Hyperréalisme. Paris 1972 (Tübingen 1972)
– Sager, Peter. Neue Formen des Realismus. Kunst zwischen Illusion und Wirklichkeit. Köln 1973
– Strand, Mark (ed.). Art of the Real. London 1984

 

Bibliographien und Nachschlagewerke
– Anderson, Janet A. Women in the Fine Arts. A Bibliography and Illustration Guide. U.S.A. 1991
– Bachmann, Donna G., und Piland, Sherry. Women Artists: An Historical Contemporary and Feminist Bibliography. Metuchen, New York 1978
– Collins, J.L., Women Artists in America: Eighteenth Century to the Present. 2 Vol. Chattanooga, University of Tennessee Art Department, 1973-75
– Dunford, Penny. A Biographical Dictionary of Women Artists in Europe and America since 1850. Cambridge 1990
– Feministische Bibliographie zur Frauenforschung in der Kunstgeschichte. Forschungsgruppe Marburg. Pfaffenweiler 1993
– Gerdts, William H. Women Artists of America: 1707-1964. Newark 1965
– Navaretta, Cynthia (ed.). Guide to Women’s Art Organisations: Groups/Activities/Networks/Publications. New York: Midmarch Associates and Women Artists News. 1979
– Streifer Rubinstein, Charlotte. American Women Artists from Early Indian Times to the Present. Mass./New York 1982
Women Artists and Women in the Arts: A Bibliography of Art Exhibition Catalogues. Boston 1978

 

Literatur zu einzelnen Künstlerinnen

Flack, Audrey
Kataloge und Bücher
– Breaking the Rules. Audrey Flack. A Retrospective 1950- 1990, cur. Thalia Gouma-Peterson. New York 1992
– Audrey Flack on Painting. Pref. Lawrence Alloway. New York 1980
– Meisel, Louis K. Photorealism. New York 1980, S.242 ff
– ders., Photorealism since 1980. New York 1993, S.210 ff.
– Streifer Rubinstein, Charlotte. American Women Artists. From Early Indian Times to the Present. Mass./New York 1982, S. 385ff.

 

Gorelick, Shirley
Kataloge und Bücher
– Streifer Rubinstein, Charlotte. American Women Artists. From Early Indian Times to the Present. Mass./New York 1982, S.403ff.

 

Semmel, Joan
Kataloge und Bücher
– Alloway, Laurence. Joan Semmel. Kutztown, Pa.: Sharadin Gallery, Kutztown State College, 1980 (Kat.)
– Streifer Rubinstein, Charlotte. American Women Artists. From the Early Indian times to the Present. Mass./New York 1982, S. 390ff.

 

Artikel in Zeitschriften
– Lubell, Ellen. Joan Semmel: Interview. Womanart 2, no.2 (Winter 1977-78), S.14-21, 29
– Seiberling, Dorothy. The Female View of Erotica. New York (11.Feb.1974), S. 55

 

Sylvia Sleigh
Kataloge und Bücher
– Calas, Nicolas and Elena, Icons and Images of the Sixties. U.S.A. 1971, S.159ff.
– Sleigh, Sylvia, Invitation to a Voyage and Other Works, Milwaukee 1990
– Kent, Sarah, und Morreau, J., Women’s Images of Men, S.95 ff.
Making their Mark. Women Artists Move into the Mainstream, 1970-85. New York 1989, S.132 ff.
– Nochlin, Linda. Some Women Realists, in: Women, Art and Power, London 1989, S.104-108
– Parker, Rosalind, und Pollock, Griselda. Old Mistresses. Women, Art and Ideologie, London 1981, S.126 ff.
– Streifer Rubinstein, Charlotte. American Women Artists. From Early Indian Times to the Present. Mass./New York 1983, S.401ff.

 

Artikel in Zeitschriften
– Schwartz, Deborah, An Interview with Sylvia Sleigh. Arts And Sciences, Evanstone, Illinois, Northwestern University (Spring ’78), S.12
– Trachtenberg, N., Paintings by Three American Realists: Alice Neel, Sylvia Sleigh, May Stevens. Womanart (Fall 1976)
– Tickner, Lisa. The Body Politic. Art History Vol.I, No.2, Juni 1978
– Nochlin, Linda. Some Women Realists: Painters of the Figure. Arts Magazine, May 1974, No.32